Schwertkampf

Der mit dem Schwert kämpft

von Redaktion

Kern des Schwertkampfes der Samurai: Wenn aus Technik Kunst wird

Norbert Punzet trägt auch den Ehrentitel Soke. Großmeister ist er sowieso.

Brannenburg – Gefühlt zum 30. Mal bringt sich Hubert Hohmann in Grundstellung, breitbeinig, den Blick fest auf einen imaginären Gegner gerichtet. Er zieht sein Schwert aus der Scheide, macht gerade den ersten Angriffsschritt, da ruft Norbert Punzet erneut: „Stopp!“ Er ist mit dem Beginn noch immer nicht zufrieden: „Das fließt noch nicht, da sind immer noch zu viele Pausen dabei“. Hubert Hohmann lächelt, verbeugt sich leicht, sagt „hai!“, was auf japanisch so viel bedeutet wie „ich hab’s verstanden“ und geht auf die Anfangsposition zurück: nächster Versuch.

Schwertkampf, so der erste Eindruck, den man als Laie bei diesem Volkshochschulkurs in Brannenburg gewinnen kann, ist zuallererst ein Kampf gegen sich selbst und einen ungelenken Körper, der nur eckige Bewegungen hervorbringt, wo ein weicher fließender Ablauf gefragt wäre.

Wobei man als Anfänger überhaupt erst mal zu lernen hat, seinen eigenen Körper bewusst wahrzunehmen. Wie Regina Grad, die sich sagen lassen muss, dass sie mit ihrem Bewegungsablauf deswegen nicht weiterkommt, weil sie ihre Knie völlig versteift und die das gar nicht fassen kann: „Meine Knie?“, fragt sie. „Die sind doch gar nicht steif!“ Sie hat es vor lauter Konzentration und Anspannung überhaupt nicht mitbekommen, war nur Kopf, wo sie eigentlich ganz und gar Körper hätte sein müssen. Und man glaubt zu begreifen, wo all das Üben schlussendlich hin will: An den Punkt, an dem auch der Körper überwunden und man nur noch die Bewegung an sich ist.

Das Ganze, denkt man, ist also so was wie eine japanische Tee-Zeremonie, nur eben mit Schwert: Ein fein choreografierter Ablauf von Bewegungen, in der jede einzelne ihre Bedeutung hat und die bis in die letzte Muskelfaser hinein sitzen müssen, wenn das Ganze wie eine einzige große geschmeidige Welle ablaufen soll.

So ganz richtig ist der Eindruck aber nicht, denn das Shin-Ken-Ryu-Do, wie es Norbert Punzet lehrt, versteht sich selbst durchaus als richtiger Schwertkampf und ist im Grunde angelehnt an die Ausbildung eines „echten“ Samurai. Deswegen wird hier auch nicht nur der Kampf mit einem imaginären Gegner gelehrt und geübt. Man tritt auch gegeneinander an, allerdings ist auch hier jeder Bewegungsablauf zunächst genau vorgegeben: Kampf als ausgefeiltes Ballett, gewissermaßen.

Die höchste Stufe ist dann die Simulation eines „echten“ Kampfes, in der es nicht mehr um vorgeschriebene Abläufe geht, sondern jeder der beiden Kontrahenten aus der Situation heraus agiert und reagiert.

Damit ist all die Ästhetik nicht nur Selbstzweck, sondern im Grunde ein Mittel zur Stärkung der Kampfkraft: Wenn an einer Bewegung alles Überflüssige weggelassen wurde, wenn sie nur noch eines ist, nämlich zielgerichtet, dann sieht das nicht nur elegant aus. Es bringt im realen Kampf die entscheidenden Sekunden ein, die über Sieg oder Niederlage entscheiden.

Deshalb kommen immer wieder auch Korrekturen von Norbert Punzet und Christian Meilner, seinem Assistenten, die ihre Begründung nicht aus der Form, sondern aus echtem Kampfgeschehen ziehen: Etwa die Mahnung, die eigene Deckung nicht aufzugeben, was den Anfängern immer wieder passiert. Der Gegner und sein Schwert sind beim Üben der Bewegungsabläufe schließlich nur vorgestellt.

Eine Frage sollte man in einem Dojo, also in einem Trainingsareal, übrigens besser nicht stellen, nämlich die nach der Zeit, die es braucht, bis man „Land sieht“ mit den Übungen. Streng genommen verrät der Aspirant damit nämlich seine falsche Einstellung. Auch beim Schwertkampf, der sehr viel von der Zen-Philosophie hat, ist im Grunde der Weg das Ziel. In diesem Sinne ist es auch zu verstehen, wenn Norbert Punzet scherzhaft meint, nach 1000 Tagen hätte man ungefähr begriffen, worum es geht. „Und nach 10000 fängt man dann ganz langsam an, gut zu werden.“

Norbert Punzet muss es wissen, denn er darf sich nicht nur Shihan, also Großmeister nennen, sondern er trägt auch den internationalen Ehrentitel eines Soke, der nur sehr selten verliehen wird. Wobei er von sich aus weder seine Titel noch seine Erfolge erwähnen würde. „Norbert muss über sein Wissen und Können nicht reden“, sagen seine Schüler in der Brannenburger Volkshochschule. „Er strahlt es aus.“ Womit der Kreis zum Zen als Grundlage des Schwertkampfes wieder geschlossen wäre.

Doch zurück zur Anfängerfrage nach der Dauer der Ausbildung: Die Realität ist nicht ganz so hart wie Norbert Punzets 10000 Tage befürchten lassen: Vier bis fünf Jahre setzt man im Schnitt an, dann kann aus einem Anfänger ein „Schwarzgürtel“ werden.

Und dafür, sagt Christian Meilner, der diesen Weg zum „Meister“ in nur drei Jahren zurückgelegt hat, sei es nicht einmal zwingend notwendig, dass man sich mit dem spirituellen Unterbau beschäftigt.

Mehr als nur perfekte Technik: Kunst

Derselben Meinung ist auch Hubert Hohmann, dessen zähe Geduld beim Üben ein und desselben Bewegungsablaufes sich nicht zuletzt aus der Faszination an der geistigen Komponente des Schwertkampfes speist. Er, der als Tubist Orchestermitglied am Münchener Gärtnerplatztheater ist, sieht hier Parallelen zum Spiel eines Instrumentes: Durch Üben, Üben und wieder Üben erreiche man irgendwann den Grad der technischen Perfektion, doch der allein sei es noch nicht. Entscheidend sei der Punkt, an dem sich in einem darüber hinaus noch etwas öffne, der Moment, in dem sich mit einem Mal Körper und Geist in einer Schwingungsebene zusammenfinden: „Das ist dann der Augenblick, in dem aus bloßer Technik Kunst wird.“

Drachenpokal

Wer mehr über den Schwertkampf erfahren möchte, hat dazu Gelegenheit am kommenden Samstag, 15. Dezember, ab 13.30 Uhr. Dann finden in der Aula der Brannenburger Grundschule Wettkämpfe um den sogenannten „Drachenpokal“ statt mit Teilnehmern aus Brannenburg, Bruckmühl und der Schweiz. Es handelt sich dabei um einen Formen-Wettkampf, der Gegner bleibt also imaginär, die Teilnehmer müssen ihn aber mit ihrem Können für Zuschauer wie Schiedsrichter so lebendig wie möglich werden lassen. Der Eintritt ist frei und natürlich besteht dabei auch Gelegenheit, sich über den Volkshochschulkurs zum Schwertkampf zu informieren.

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