Samerberg/Nußdorf – Für unsere letzte Wanderung zu Flurdenkmälern, Feldkreuzen und Kapellen hatte sich der Wettergott auch etwas Besonderes einfallen lassen. Er bescherte uns eine weiße Winterlandschaft und knackige Minustemperaturen, die ein zügiges Wandern implizierten.
Start war diesmal im Ortsteil Gritschen, wo wir vom kleinen Wanderparkplatz aus schnell fündig wurden. Rechts des Weges begrüßte uns das Feldkreuz beim Weiß in der Gritschen, das sein winterliches Gewand angelegt hatte. Aus Sicherheitsgründen haben die Eigentümer das ursprünglich wunderschöne Kruzifix im Rokokostil abgenommen, den Platz nimmt nun eine kleinere, gegossene Christusfigur ein.
Bemerkenswert an diesem Feldkreuz ist die Inschrift über dem Gekreuzigten, die besagt: „Mein lieber Christ, steh still! Betracht Christi Leiden und deinen Seufzer opfre ihm dann gehe hin in Frieden!“, was wir dann auch mehr oder weniger getan haben.
Der Brunnen mit Kapellenbildstock beim Weiß in der Gritschen gebot uns dann aber schnell Halt. Das auf Blech gemalte Bild der Muttergottes mit dem Jesuskind auf dem Arm ist trotz der deutlichen Verwitterung immer noch ansehenswert, bezeugt es doch den Glauben der Menschen und ihre Frömmigkeit aus der Zeit, in der Kriege, Seuchen und Hungersnöte die Menschen regelmäßig heimsuchten.
Nur wenige Meter weiter stoßen wir auf die Hofkapelle beim Weiß. Auch dieses Relikt aus dem Jahre 1826, das von Abraham Daurer, dem einstigen Besitzer des Hofes, erbaut worden war, ist scheinbar dem Verfall preisgegeben. Das kleine Gotteshaus ist heute verschlossen, nur an der Seite zeugt die in einer Mauernische stehende und betende Muttergottes von der einstigen Pracht dieses sakralen Baus.
Sicher außergewöhnlich ist es, dass es schon zu damaliger Zeit eine Doppelnutzung der Kapelle gegeben hat, denn der hintere, von der Straße aus nicht sichtbare Teil, wurde und wird auch heute noch als Bienenhaus genutzt. Dieses Alleinstellungsmerkmal hatte sicher auch wirtschaftliche Gründe, und es darf durchaus unterstellt werden, dass die emsigen Bienen die Gläubigen nicht belästigt haben, weder gestern noch heute.
Auf der Achse kehrt gemacht, marschieren wir zurück in Richtung Kirchwald, nicht ohne das herrliche Bauernhaus vom Weiß mit seinen vielen Wandgemälden, die durchwegs christliche Motive zeigen, ausgiebig zu bewundern. Über schneebedeckte Flure und Felder führt uns der Weg, nunmehr auf Nußdorfer Gemeindegebiet, direkt am Kreuz vom Lagler und Heisn in der Gritschen vorbei.
Zwei Familien aus Lagler und Heisn haben dieses Kreuz während des Zweiten Weltkrieges errichtet mit der Bitte an Gott, er möge doch ihre Söhne unbeschadet aus dem Kriege zurückkehren lassen. Im Jahre 1962 wurde das Kreuz in seiner jetzigen Form erneuert, den Korpus Christi schuf der Münchener Bildhauer Michael Kragler. Vom Kreuz und der daneben einladenden Bank hat man einen herrlichen Blick in das Gebiet des Samerbergs hinein, wo uns im Zenit die Filialkirche St. Peter in Steinkirchen grüßt.
Links neben der Ruhebank hat eine Bildtafel der Kirchwalder Muttergottes seinen Platz gefunden. Zusammen mit dem Holzkreuz eine unübersehbare Komposition christlichen Glaubens, der vor allem in den ländlichen Gebieten das tägliche Leben nicht unwesentlich beeinflusste.
Genau auf diesem Punkt beginnt auch der Kreuzweg in Richtung Kirchwald, der auf 14 Tafeln den Leidensweg Christi festhält und regelmäßig von vielen Gläubigen in Form von Prozessionen und Andachten beschritten wird.
Weiter geht es auf dem ruhigen Maximiliansweg, der von Lindau nach Berchtesgaden und zurück führt, in Richtung Kirchwald, vorbei an den einzelnen Kreuzwegstationen, an denen wir immer wieder kurz innehalten, uns von den Darstellungen inspirieren lassen. Als sich dann der Wald öffnet, werden wir von einem beeindruckenden bildlichen Schauspiel überrascht.
Als wäre es inszeniert, empfängt uns die Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung mit ihren weißen Außenmauern und dem schlanken Glockenturm, dessen Dach heute mit Schnee bedeckt ist. Der imposante Spätbarockbau, den Wolfgang Dinzenhofer aus Bad Aibling anno 1720 erbaute, steht an der Stelle, wo früher ein kleines Kirchlein seinen Platz hatte. Der gläubige Einsiedler Michael Schöpfl begründete schon damals mit dem Bau der damaligen einfachen Holzkapelle im Jahre 1644 und einem mitgebrachten Marienbild die Marienverehrung und die Wallfahrten nach Kirchwald.
Der Innenraum der Kapelle ist mit Worten fast nicht zu beschreiben; geschützt von einem mächtigen Eisengitter gibt der Altarraum einen imposanten Einblick in den damaligen Reichtum. Links und rechts der Sitzreihen bezeugen zwei Innfähren, die auf bemalten schlanken Pfosten thronen, vom Bezug der Bewohner zum Inn und seiner Nutzung als wichtiger Verkehrsweg. Das kleine Gotteshaus war in seiner Zeit schon so manches Mal Ziel von Räubern und Brandschatzern und in der Zeit der Säkularisation auch von Abbruch bedroht. Erst ein Bittgang engagierter Bürger um Georg Stuffer von Gern und des Heiß von der Gritschen nach München zum damaligen Eigentümer, dem Grafen Max V. von Preysing, sicherte den Erhalt dieses christlichen Kleinods.
Direkt neben der Kapelle steht das Klausnerhaus, das auch heute noch immer wieder von Mönchen und Eremiten bewohnt wird, die sich dann auch um das gesamte Ensemble kümmern. Hinter dem Klausnerhaus lugt ein Feldkreuz mit der fast lebensgroßen Kreuzigungsgruppe zwischen den Bäumen hindurch.
Unter dem beschirmenden Dach des Corpus steht die lebensgroße Maria, ebenfalls unter schützendem Baldachin, und hält einen auch in dieser Jahreszeit einen blühenden Blumenstrauß in ihren Händen. Weiter des Weges, um die Wallfahrtskirche herum, erkennen wir eine abstrakte und außergewöhnliche bauliche Konstruktion einer Außenkanzel, die von innen geöffnet werden konnte, damit auch die Gläubigen, die nicht mehr Platz in dem Gotteshaus fanden, das Wort Gottes und den Segen des Priesters aufnehmen konnten.
Noch ein Stückchen weiter auf dem Weg stoßen wir dann zum letzten Ziel unserer Wanderung, die Brunnenkapelle in Kirchwald, die um 1890 neu errichtet wurde, nachdem sie – am Hang stehend – abgerutscht war. Dem Quellwasser wurde in früherer Zeit heilende Wirkung zugesprochen, heute wird der Brunnen kaum noch genutzt. Auch wir trinken nicht von dem eiskalten Nass, sondern machen uns auf den Rückweg nach Gritschen, um uns vom Samerberger Wegewart Dr. Georg Stuffer, ohne dessen Hilfe und Informationen diese Geschichten nicht entstanden wären, zu verabschieden. Sein treuer Weggefährte „Wutzi“, der immer zu einem Späßchen aufgelegt war und für Kurzweil bei unseren Wanderungen sorgte, wird uns schon auch ein wenig fehlen.