Neubeurer Kulturtage Einheimische erinnern sich an Erlebnisse aus ihren Kindertagen
Der Adventskaffee in Hinterhör
Neubeuern – Neubeurer Senioren trafen sich jetzt beim Dorfwirt Vornberger, um im Rahmen der Neubeurer Kulturwoche Geschichten aus der Nachkriegszeit zu erzählen.
Der Neubeurer Alois Heibl erzählte beispielsweise die Geschichte von einem Schlossschüler, der sich im Unterricht daneben benommen hatte. „50 Mal schreibst du mir: Ich darf den Unterricht nicht stören“, war die Strafe, die ihm der Lehrer dafür aufbrummte. Der Schüler ging nach dem Unterricht ins Café, nahm ein Bierfuizl und schrieb rund um den Rand: „Ich darf den Unterricht nicht stören. Bitte 50 Mal drehen.“ Heibl bestätigte den Gästen, dass sich das wirklich so zugetragen und der Lehrer ihn für seine Cleverness sogar gelobt hatte.
An den Erzählfaden knüpfte die bekannte Schauspielerin und Neubeurerin Kathi Leitner an. Sie erzählte, dass sie bis zum fünften Lebensjahr in Hinterhör lebte, denn ihre Eltern hatten dort die Landwirtschaft „gemacht“ und die Familie wohnte im sogenannten „Schweinepalais“. Ihre schönste Erinnerung daran ist, dass es im Advent in der Bibliothek von Gut Hinterhör einen Adventskaffee für die Kinder und Bediensteten gegeben hat. Und Gräfin Marie-Therese (für die Neubeurer war sie die Komtess) las den Kindern die „Flucht aus Ägypten“ von Selma Lagerlöf vor, die aber dort nur die „Geschichte von der Palme“ hieß. Dazu gab es Kakao und einen Baumkuchen, den die Kinder „Mallakopf“ nannten. Sie erinnert sich vor allem daran, dass die Gräfin dabei immer besonders betonte: „Palme neige dich.“ Sogar am Heiligen Abend wurden die Kinder am Nachmittag in die Bibliothek eingeladen und durften dort ein Krippenspiel aufführen. Außerdem stand dort immer ein riesiger Christbaum, geschmückt mit Perlenschnüren und Engelshaar.
Auch Hildegard Linner, deren Mutter in den Diensten der Gräfin stand, war als Kind oft in Hinterhör. Eines Tages, als Amerikaner zu Besuch bei der Gräfin waren, schenkten diese ihr Schokolade. „Von wem hast du denn die Schokolade?“, fragte die Gräfin. Hildegard war noch sehr klein und konnte das Wort Amerikaner nicht aussprechen. So antwortete sie: „Von den märischen Kanern.“
Alois Heibl legte bei dem Treffen noch Zeichnungen aus einem Schulprojekt der Klasse 6b des Schuljahres 2012/2013 aus, auf denen die Frage „Warum steht in Altenbeuern ein Eichendorff-Haus?“ unter einer Zeichnung des Hauses beantwortet wurde. In diesem Haus wohnte von 1922 bis 1934 Karl von Eichendorff, der Enkel des berühmten Dichters Josef von Eichendorff und richtete ein Archiv mit den Schriften seines Großvaters ein.