Neubeuern – Ein Grund dafür war sicher die Struktur des Abends vor rund 500 Zuhörern, die die teilnehmenden Politiker in ein knappes Zeitkorsett zwängte. Gekommen waren Alexandra Burgmaier, Landtagskandidatin der SPD, Christine Degenhart, Landtagskandidatin der Freien Wähler, Martin Knobel, Landtagskandidat für Bündnis 90/die Grünen, Otto Lederer, Landtagsabgeordneter der CSU, und Michael Linnerer, Landtagskandidat für die FDP.
Sie alle hatten für ihre Äußerungen jeweils nur ein Zeitfenster von insgesamt fünf mal drei Minuten, auf deren Einhaltung von Moderator Florian Schrei streng geachtet wurde. Das ließ einerseits keinen Platz für eine Diskussion untereinander, weswegen die Veranstaltung besser als Politikerbefragung denn als Podiumsdiskussion firmiert hätte, unterband aber andererseits auf wohltuende Weise jede ausufernde Wahlkampf-Rhetorik.
Stattdessen galt es, in diesen drei Minuten Bezug zu nehmen auf die Ausführungen von Dieter Dimmling vom Bürgerforum Inntal, der in fünf Blöcken die Kritik der zahlreichen Bürgerinitiativen am Projekt des Brenner-Nordzulaufes zusammengefasst hatte.
Diese Zusammenstellung, die erkenntlich um Sachlichkeit bemüht war, erhielt von den Zuhörern großes Lob und das obwohl man davon ausgehen kann, dass den meisten der Teilnehmer die Kritikpunkte im Großen und Ganzen durchaus schon bekannt waren. So pointiert zusammengefasst und vor allem mit zahlreichen Schaubildern und Grafiken unterlegt habe man sie aber noch nicht präsentiert bekommen, meinte zum Beispiel Roland Mayer aus Raubling, das sei wirklich ein Informationszuwachs gewesen.
Allerdings wäre, so merkte ein anderer Zuhörer, Heinz Baumgartner aus Neubeuern kritisch an, dieser wohl noch größer gewesen, wenn man die Tatsache ausgenutzt hätte, dass Torsten Gruber, der Bahn-Projektleiter des Nordzulaufs, als Gast anwesend war: Ihn hätte man, so meinte Heinz Baumgartner, ruhig beim einen oder anderen Punkt nach seiner Sicht der Dinge befragen können.
Fünf Blöcke für
fünf Themengebiete
Inhaltlich ging es in den fünf Blöcken darum, dass nach Ansicht der Bürgerinitiativen erstens die derzeitige Lkw-Schwemme Richtung Brenner ein Ergebnis falsch gelaufener Verkehrspolitik sei, weshalb der Anteil der Bahn am Güterverkehr von 1960 bis heute von etwa 80 Prozent auf unter 20 Prozent gefallen sei. Dass man durch staatliche Lenkungsmaßnahmen den bislang gegebenen Kostenvorteil der Straße zu Gunsten der Bahn ausgleichen und damit Verkehr auf die Schiene zurückbringen könne, sei am Beispiel der Schweiz zu sehen.
Im zweiten Vortragsblock ging Dieter Dimmling vor allem auf die Maßnahmen ein, mit deren Hilfe ein verstärkter Zugverkehr auf den Bestandsstrecken, der nach Ansicht der Bürgerinitiativen von den Kapazitäten her durchaus möglich sei, anwohnerverträglich gemacht werden könnte. Allerdings werde dies durch das Ziel von Politik und Bahn, den Brenner-Nordzulauf auch als Hochgeschwindigkeitsstrecke auszulegen, erheblich erschwert.
Der dritte Vortragsblock beschäftigte sich deshalb mit der Ansicht der Bürgerinitiativen, dass ein weiterer Ausbau des Brennerzulaufs als „Doppelnutzungsstrecke“ – Hochgeschwindigkeitstrasse mit Güterverkehr – vom Bedarf her nicht zu rechtfertigen sei, zumal eine offizielle Kosten-Nutzung-Erhebung immer noch ausstehe.
Im vierten Block ging es anschließend darum, wie man mit dem nach Ansicht der Bürgerinitiativen „Worst-Case-Szenario“, der tatsächlichen Erweiterung der Bestandsstrecken und der Auslegung der Neubautrassen zur Hochgeschwindigkeitsstrecke planerisch und gestalterisch in Rosenheim und im Inntal umgehen solle.
Im abschließenden fünften Block sollten die Politiker die Gelegenheit zur Erläuterung bekommen, ob, und wenn ja, wie sich die geäußerten Kritikpunkte konkret in ihrem zukünftigen Handeln niederschlagen werden.
Dass hier wie in den Redezeiten zu den vorangegangenen Blöcken von den Politikern keine großen Lösungsentwürfe oder überraschend Neues vorgestellt wurde, war angesichts der Komplexität des Themas und der Fülle der von Dieter Dimmling vorgetragenen Informationen nachvollziehbar. Es wurde von vielen offensichtlich auch gar nicht erwartet. Oder wie es ein Zuhörer nach Abschluss der Veranstaltung formulierte: Der Wert des Abends lag weniger in den einzelnen Politikeraussagen an sich, als vielmehr darin, dass dadurch jeweils die grundsätzliche Umgehensweise mit dem Thema deutlich wurde.
Versucht man diese kurz zusammenzufassen, könnte man sagen, dass sich Alexandra Burgmaier (SPD) bemühte, das Verkehrsproblem in einen größeren Rahmen einzuhängen: Staatliche Lenkungsmaßnahmen zur Verkehrssteuerung – so notwendig sie seien – müssten so lange Flickwerk bleiben, so lange die Gesellschaft der Wirtschaftlichkeit einen höheren Stellenwert vor der Umwelt aber zum Beispiel auch den Arbeitsbedingungen der zum Teil zu Dumpinglöhnen fahrenden Lkw-Fahrer einräume.
Dumpinglöhne angeprangert
Christine Degenhart (Freie Wähler) hingegen ging eher ins Detail forderte mehr Flexibilität bei der Planung, zum Beispiel bei der Anzahl der angedachten Verknüpfungspunkte zwischen Neubau- und Bestandsstrecke ein, Querdenken müsse hier erlaubt sein. Martin Knobel (Bündnis 90/Die Grünen) wandte sich kompromisslos gegen einen Ausbau der Bestandsstrecken und nannte als Mittel zur Steuerung die sogenannte Alpentransitbörse, mit deren Hilfe nach der Vorstellung der Grünen europaweit die Anzahl der Lkw-Transits durch die Alpen gedeckelt werden sollte.
Gleisstrecken
unter die Erde
Otto Lederer (CSU) verwies darauf, dass man seiner Meinung nach am meisten bewirken könne, wenn man sich dort engagiere, wo jetzt im Moment tatsächlich Entscheidungen anstünden. Das sei derzeit nicht die Frage nach dem ob, sondern die nach dem wie, sprich die Trassenplanung, und deshalb sehe er sein Bemühen im Moment vorrangig darin, möglichst viel Gleisstrecke unter die Erde zu bringen.
Michael Linnerer (FDP) gab an, dass seine Partei ihre weitere Haltung von einer Klärung des Kosten-Nutzen-Verhältnis abhängig mache, dazu sei in den nächsten Tagen auch eine kleine parlamentarische Anfrage geplant. Mit einer ergebnisoffen geführten Diskussion über diesen Problempunkt sei dann aber auch letztlich die Voraussetzung dafür gegeben, dass im Konsens beschlossene Baumaßnahmen wirklich schnell umgesetzt werden könnten.