Mit dem Kaufhaus Glück endet eine Ära

Ladenschluss nach 120 Jahren

von Redaktion

„Liebe Kunden, vielen Dank für über 100 Jahre Treue“ – dieser Satz prangt an der Eingangstür zum Edeka-Kaufhaus Glück an der Wendelsteinstraße. Das Geschäft hat nach 120 Jahren seine Pforten geschlossen. Damit endet eine Gemischtwaren-Ära, die sich über vier Generationen erstreckte.

Bad Feilnbach – „Du Frau Glück, kannst Du mir…“ – diesen Satz hat Kathi Glück in ihrer Zeit als Inhaberin des Traditions-Supermarkts täglich unzählige Male gehört. Ebenso Geschichten, Sorgen und freudige Momente der Kunden. Doch damit ist jetzt Schluss. In die Räume wird ab Mitte August der „Sportstadl“ einziehen.

Dass Kathi Glück als „Frau der Tat“, ihre Mitarbeiter nicht im Stich lässt, untermauert, dass sechs ihrer zehn Mitarbeiter jetzt im neuen Prechtl-Supermarkt arbeiten. Dessen Eröffnung, die Neugestaltung der Ortsmitte, Modernisierungsüberlegungen und die Tatsache, dass die Kinder beruflich eigene Wege gehen, führten zu dem Ergebnis, „dass es mit meinem 60. Geburtstag genug ist“, so Glück.

Wie sehr die Institution ein fester Bestandteil im Alltag der Bürger war, zeichnete sich insbesondere in den letzten Tagen des Ladens ab: „Die Kunden kamen mit Blumen, nahmen einen in den Arm und würdigten das stete Sich-Kümmern außerordentlich“, so Kathi Glück. Dies seien sehr bewegende Momente gewesen. Besonders die Kunden aus Kutterling, Altofing und Wiechs seien sehr treu gewesen. Die älteste Dame, die zum Einkaufen vorbeikam, war über 90 Jahre alt.

Um die Bedeutung des Geschäfts weiß auch Bürgermeister Anton Wallner. „Das Kaufhaus war in Bad Feilnbach eine Institution für Jung und Alt. Der ,Nahkauf‘ hat die Bevölkerung mit Lebensmittel versorgt. Kathi Glück wollte eigentlich schon früher ihren Laden schließen, hat dann aber doch auf Bitten der Familie Prechtl bis zur Eröffnung des neuen Marktes durchgehalten. Damit konnten gerade viele ältere Menschen weiterhin fußläufig ihren Bedarf an Lebensmitteln decken“, würdigte der Rathauschef zum Abschied.

Dass es sich zum Abschluss um ein Jubiläumsjahr handelt, hatte Kathi Glück erst kürzlich an einem Balken im Gebäude entdeckt. Vor 120 Jahren eröffnete dort der erste Gemischtwarenladen unter der Leitung von Inhaber Friedrich Glück. Er und seine Familie kamen aus München nach Bad Feilnbach.

Sohn Fritz und dessen Frau Margarethe übernahmen das Geschäft später. Es war damals mit Kirche, Rathaus und Apotheke eines der ersten Häuser am Platz. Die Versorgung der Bürger wurde gut angenommen und so waren der Laden sowie der Bereich davor auch zugleich Treffpunkt. Besonderheit bei dem Bau: Er hatte zeitweise mehrere Eingänge. Diese seien unter anderem für Kolonialwaren, für Mehl und Zucker sowie Lieferungen gewesen, vermutet Glück. Schräg vis à vis war zudem die örtliche Feuerwehr stationiert. In dem kleinen Häuschen – im Kreuzungsbereich an der Jenbachbrücke – hatte ein Fahrzeug Platz.

Nachdem Glücks ältester Sohn, ebenfalls mit Namen Fritz, im Krieg gefallen war, übernahm der jüngste Nachkomme, Josef, das Ruder im Laden. Eigentlich. Denn seine Passion war das Jagen. Wohingegen dessen Frau Katharina das Geschäft mit Herzblut betrieb. Sie übernahm die Geschäftsführung bereits mit 18 Jahren.

Damals stand ihr das Fräulein Schweiger, 15 Jahre alt, tatkräftig zur Seite. Die beiden Frauen arbeiteten fast 50 Jahre zusammen. „Man kann fast sagen, dass sie eine Beziehung fürs Leben hatten. Denn im Altenheim haben sie sich wieder getroffen“, schildert Katharina Glück. Rührend dabei: „Chefin, was brauchst?“, war auch im Rentenalter noch stets die Frage von Fräulein Schweiger an ihren einstigen Boss.

In die Geschäftsleitungsjahre von Kathis Schwiegermutter fiel auch die Erweiterung Anfang der 60er-Jahre. Dabei wurde die Verkaufsfläche auf die Größe wie zuletzt ausgeweitet. Der Anbau erfolgte mit einem Flachdachtrakt. Neben Lebensmittel gab es auch Geschenkartikel und erste Souvenirs für die Urlauber. „Der Tourismus begann in dieser Zeit und erlebte mit dem Kurwesen seine Blüte“, so Kathi Glück. Nicht ohne Grund gab es sogar Postkarten mit dem Gemischtwarenladen darauf zu kaufen. Unzählige davon wurden quer durch ganz Deutschland versandt.

Außerdem: In einem Zimmer im Erdgeschoss war damals das Büro des örtlichen Polizisten. Im Keller war die Arrestzelle. „Dort sind heute noch Striche erkennbar, die Insassen im Mauerwerk verewigten“, so Glück.

Die 60-Jährige hatte als junges Mädchen ganz andere Dinge im Sinn, als einen Laden zu betreiben. Sie war vom „Reisevirus infiziert“. Fremde Länder faszinierten sie. Doch sie hatte die Rechnung ohne „ihren“ Josef, der vor acht Jahren verstarb, gemacht.

Er wollte sie nicht „entwischen lassen“ und reiste ihr überraschend bis nach Australien nach, um Katharina einen Heiratsantrag zu machen. „Wenn jemand so etwas für einen macht, dann sagt man nicht nein“, bekennt Kathi Glück. Das Paar bekam eine Tochter und einen Sohn.

Im ersten Stock des Kaufhauses wohnte damals Schwiegermutter Katharina Glück. Im Dachgeschoss lebten Josef und Kathi, bis sie sich ein Eigenheim – nur wenige Gehminuten entfernt vom Laden – bauten. Da aber drei Chefs – Schwiegermutter, Ehemann (war Anfang der 70er-Jahre ins Geschäft eingestiegen) und sie – zuviel gewesen wären, arbeitete Kathi Glück bei einer Bank. Einmal pro Jahr machte die Familie am Stück zusammen zehn Tage Urlaub. Ansonsten standen Glücks sechs Tage die Woche im Laden.

Aus Kaufhaus wurde Edeka

Anfang der 80er-Jahre wurde das „Kaufhaus Glück“ dann zu „Edeka Glück“. „Wir waren kein Regiemarkt, sondern nutzten Edeka als Lieferant für unser Sortiment“, so die 60-Jährige. Vor 13 Jahren dann wurde auf das Flachdach des Anbaus „draufgesattelt“.

In den besten Zeiten gab es vier Lebensmittelgeschäfte in Bad Feilnbach. Selbst die BayWa hatte sich in diesem Verkaufssegment versucht. Durchgehalten von diesen hatten bis jetzt nur die Glücks. „Das ist aber unserer Mentalität, dem Zupacken und etwas Schaffenwollen geschuldet“, so Kathi. Doch bei allem Herzblut fürs Geschäft gab es für das Paar eine Devise: „Die Familie geht vor.“

Gerade der Zusammenhalt sei ihr, die mit acht Geschwistern aufwuchs, wichtig. Man stand und steht zusammen, insbesondere in schweren Zeiten. Wie schicksalhaft manche Aktionen im Leben dabei sein können, beweist die Tatsache, dass vier Monate vor dem Tod von Josef Glück, die Entscheidung fiel, dass Kathi und er künftig gemeinsam den Laden führen wollen. „Ich hatte mich gerade in alles eingearbeitet, da war ich plötzlich alleine zuständig“, so Glück.

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