Nußdorf/ Erl – Viele kamen um, wertvolle Sachwerte wurden zerstört. Das ist dem Kirchenarchiv von Nußdorf zu entnehmen.
Einer der Kriege war der Österreichische Erbfolgekrieg (1741 – 1748), einen weiteren Krieg trugen im Jahr 1800 Napoleons Truppen ins Land. Ebenso der Aufstand der Tiroler Bevölkerung gegen die bayerische Besatzung vor dem Hintergrund des Fünften Koalitionskrieges im Jahre 1809. Über diese drei Ereignisse berichtet der im Jahr 1788 geborene Christian Schwaighofer aus Nußdorf. Über das eine Ereignis schreibt er wohl auch deshalb, weil es bleibende Erinnerungen im Leben seiner Familie hinterließ, und über die beiden anderen, weil er als junger Mensch Teile davon selber miterleben musste. Schwaighofer fasste seine Erinnerungen in einer Ortschronik zusammen, in der aus jener Zeit zu lesen ist:
„Krieg und Frieden. Von Ende Oktober 1742 bis zum April 1743 waren die Schützen der Landesfahne von Rosenheim und Bad Aibling aufgeboten und besetzten unter Commando des Oberstleutnant du Chaffat das Schloß Neubeuern und die Blockhäuser am Riedelberg oberhalb Nußdorf gegen die Einfälle der Tiroler. Die österreichischen Truppen räumten um diese Zeit das Land und kehrten erst im Mai 1743 wieder.“
Der Riedelberg mit seiner Passstraße war von herausragender strategischer Bedeutung für die Verteidigung des bayerischen Hinterlandes. Dort wurden Schanzen angelegt, Palisaden und Blockhäuser errichtet. Der Inn reichte damals bis unmittelbar an den Riedelberg heran. Oberhalb sorgte er zusammen mit dem Heuberg und dessen steilen Hängen für ein natürliches Hindernis. Eine Stellung, die nur schwer zu erobern war. Damit spielte der Riedelberg bei Kriegen zwischen Bayern und Tirol immer eine wichtige Rolle. So sollte es dann auch 1800 sein, wie Christian Schwaighofer weiter berichtet:
„Am ersten Mai rückten die Rosenheimer Schützen wieder in ihre Markte ein, nachdem sie von einer Abteilung des königlich-baierischen Regiments Kronprinz unter Hauptmann Davaucourt in den Stellungen zu Nußdorf ./. Riedelberg ./. und Neubeuern abgelöst wurden. Bey Gelegenheit von solchen Grenzpostierungen sollte die Rosenheimer Landwehr noch heute eine in Ehren gehaltene Standarte erhalten haben. Bey Windshausen gab es im Jahr 1800 ein Gefecht zwischen Franzosen und Tirolern; die Franzosen mussten weichen.“
Auch 1809 standen die Schanzen am Riedelberg wieder im Vordergrund der Verteidigung. Nach der Besetzung Tirols durch die Franzosen gingen die Tiroler unter Führung von Andreas Hofer im Frühjahr 1809 massiv gegen die bayerisch-französischen Besatzer vor. Damals überschritten die Tiroler die Grenzen, verschanzten sich bei Windshausen und drangen bis zum Riedelberg vor, wo sich nach Zeichnungen von Christan Schwaighofer immer noch Schanzen und Wehrtürme befanden. Bald zogen sie sich aber wieder zurück nach Windshausen. Am 9. Mai mussten sie auch hier weichen und verließen fluchtartig den Passturm bei Windshausen. Schon wenige Tage darauf rückten die bayerischen Truppen vor. Schwaighofer schreibt dazu in seinen Ausführungen:
„Im Jahr 1809, den 12. Mai, rückten die Baiern des XIV. Regiments unter Herrn Hauptmann Heudeck gegen die Tiroler Rebellen an bey Windshausen und trieben sie noch am nämlichen Tage um 12 Uhr aus ihren Stellungen, konnten selbes aber nicht weiter verfolgen, da es ihnen an Munition mangelte. Oberst Schlossberg hielt in Nußdorf Nachhut und rückte erst am anderen Tage vor, dann stellte ihn Hauptmann Heudeck zur Rede mit den Worten: ,Seid ihr auch Obrist! Eine Schande, dass sie diesen Namen tragen, und uns im Stiche lassen!‘ Sie rückten bis nahe am Mühlgraben oberhalb von Erl, dann fielen etliche Schüsse von den Tirolern, und erschossen einen Leutnant, worauf befohlen wurde, das Dorf Erl anzuzünden; zwei Chevrouxlegeres ritten retour und zündeten an. Sie fühlten Bedauern für das schöne Gotteshaus und wollten noch zum Löschen kommandieren; alles war nun unrettbar. Christian Schwaighofer, geboren im Jahr 1788.“
Damals gehörte Nußdorf zur Pfarre von Erl. Wie es zu dieser Zeit üblich war, wurden wesentliche kirchlichen Dokumente wie die Kirchenbücher in der Pfarre, also in Erl, aufbewahrt. So ging vor 209 Jahren das Kirchenarchiv beider Orte in den Flammen der brennenden Kirche zu Erl verloren.
Der Nußdorfer Pfarrer Dürnegger berichtet in seiner Chronik aus dieser Zeit: „Die Erler, welche von ihren Häusern aus und vom Turm herab auf die Bayern geschossen hatten, flohen mit ihrem Pfarrer in die Berge und mussten die Feuerflammen sehen, die über Kirche und Pfarrhof, über das ganze Dorf und über den Bräu im Mühlgraben züngelten.“
Die Brandschatzungen gingen danach im Inntal noch viele Tage lang weiter. Der Feuerschein war seinerzeit bis nach München zu sehen.
Noch heute stoßen viele Menschen, die sich für die Vergangenheit der Region interessieren oder Ahnenforschung betreiben, auf dieses Ereignis, wie das Marterl von Simon Klinger, der am 12. Mai bei dem feindlichen Überfall auf Erl ums Leben kam. An ihn erinnert heute noch ein Bildstock im Ortseingang von Erl.