Aschau/Prien/Frasdorf/ Bernau – „Mia san mia und de andern brauch ma ned“, zitierte Bürgermeister Peter Solnar eine der ältesten bayerischen Gemeinderatsweisheiten, „aber mit dieser Einstellung kommen wir heute nicht mehr weiter. Wir brauchen unsere Nachbarn und unsere Nachbarn brauchen uns. Die Gemeinden können heute die vielfältigen Anforderungen längst nicht mehr erfüllen, die einerseits vom Staat und andrerseits von den Bürgern an sie gestellt werden.“ Miteinander sind die vier Prientalgemeinden Aschau, Bernau, Frasdorf und Prien deshalb dabei, ein Interkommunales Entwicklungskonzept (IKEK) für die künftigen Maßnahmen zur Entwicklung zu finden.
In Aschau stellten Jochen Baur vom Planungsbüro SEP in München und Claus Sperr vom Planwerk in Nürnberg die Ergebnisse dieser Grundlagenerhebung vor. Der Besuch zeugte nicht von allzu großem Interesse an den vielfältigen Problemen, die die vier Gemeinden mit ihren Gemeinderäten in den kommenden Jahren zu lösen haben. Die vier Bürgermeister, ein Dutzend Gemeinderatsmitglieder aus allen vier beteiligten Gremien und drei Dutzend Bürger nahmen die Vorstellung der beiden Büros zur weiteren Städtebaulichen Entwicklung zur Kenntnis.
„Nur Pflastersteine, zusätzliche Bäume und Straßenquerungen reichen heute für eine Optimierung im Sinne der Städtebauförderung nicht mehr aus“, so Architekt Jochen Baur. Mit großem Aufwand hatten die beteiligten Architekten im vergangenen Jahr den aktuellen Ist-Zustand und die Planungsgrundlagen für die kommenden Jahre ermittelt, in sechs Handlungsfeldern zusammengestellt und präsentierten sie nun den Besuchern in Aschau.
Jeder einzelne dieser Kreise wird die Gemeinderäte in den kommenden Jahren beschäftigen. Einige dieser Forderungen und Visionen wirken weit in die Zukunft und stellen Weichen für kommende Generationen. Von der baulichen Entwicklung und der Ortsgestaltung ging es über Umwelt, Natur und Landschaft, Verkehr und Mobilität weiter zum Problemkreis Soziales Miteinander und Wohnen, zu Wirtschaft und Nahversorgung und endete schließlich bei Tourismus, Naherholung und Kultur.
Konkrete
Forderungen
Dabei vermischten sich in den angesprochenen Problemfeldern häufig harte Fakten mit den sogenannten weichen Faktoren, die wünschenswert, aber vielfach nicht greifbar sind. Aus diesen Vorgaben heraus ergaben sich dann konkrete Forderungen für die vier beteiligten Prientalgemeinden, wie sie diese gegebenen Voraussetzungen möglichst gemeinsam für ihre Bürger umsetzen können.
Die erste Forderung dabei lautete, eine aktive Kooperation herzustellen und die vorhandene Vernetzung zu stärken sowie das gelebte Miteinander zu erhalten und zu fördern. Weiter müsse die Mobilität im gesamten Raum bedarfsorientiert weiterentwickelt werden.
In allen vier Gemeinden müssen die vorhandenen Ortsstrukturen erhalten bleiben und weiter attraktiv ausgebaut werden, der Tourismus als Haupteinnahmequelle und die natürlichen Ressourcen müssen miteinander in Übereinstimmung bleiben. Jede dieser fünf Problemkreise fordere die Gemeinden zu erhöhten Anstrengungen auf, oft sind sie nur gemeinsam zu lösen. Vielfach wurden den Bürgermeistern und Gemeinderäten dabei allerlei Trivialitäten über ihre Orte, die Bevölkerung und die bevorstehenden Aufgaben eröffnet, die sie aber in den kommenden Jahren sehr beschäftigen könnten.
So sagte Jochen Baur voraus, dass die Bevölkerung in allen Gemeinden weiter deutlich anwachsen werde, in keiner einzigen dafür aber genügend Wohnraum, geschweige denn Bauland, zur Verfügung stehe. Hier müssten entsprechend neue – von der bisherigen Norm abweichende – Siedlungskonzepte entwickelt werden, um allen Neubürgern entsprechenden Wohnraum zur Verfügung stellen zu können. In allen Gemeinden gebe es städtebauliche Sünden und Versäumnisse, die zum Teil weit in die Vergangenheit zurückreichten. Sie müssten behoben werden, um ein weiteres Veröden der Innenortsbereiche zu verhindern und die Menschen wieder in die Ortsmitten zu ziehen. Die in jedem Ort vorhandenen Sehenswürdigkeiten sollten weiter „aufgemascherlt“ werden, um die Ortmitten damit aufzuwerten und Menschen anzuziehen.
Störend sei dabei vielfach das hohe Verkehrsaufkommen: Da alle Gemeinden unmittelbar an viel befahrenen Hauptverkehrsachsen – Bundes- und Kreisstraßen außerhalb des Verantwortungsbereichs der Gemeinden – liegen, sollten sie im Verbund versuchen zumindest innerorts die Geschwindigkeiten auch auf diesen Straßen auf Tempo 30 zu drücken. „Wenn vier Gemeinden interkommunal so etwas versuchen, ist das etwas anders, als bei vier Einzelanträgen der Kommunen.“
Neben den Straßen sei die Prien das verbindende Element aller vier Kommunen. Sie sollte, soweit es die Hochwasserschutzmaßnahmen zulassen, aus ihrem engen Betonkorsett in Prien und Nie- deraschau befreit werden. Ein Erlebnispfad entlang des Flusses mit einem wieder aufgebauten Dösdorfer Steg könne nur von Vorteil für alle – für Einheimische und Touristen – sein.
Übereinstimmend stellten die beteiligten Architekten fest, dass die soziale Infrastruktur bestens aufgebaut sei, es gebe ein vielfältiges Bildungs- und Betreuungsangebot für Jung und Alt in den Gemeinden. Dabei wurstle jede Gemeinde jedoch weitestgehend vor sich alleine hin und koche ihr eigenes Süppchen. Eine Vernetzung gleichartiger Angebote finde häufig nicht einmal im Ort statt, geschweige denn über den Schatten des Kirchturms hinaus. Hier, bei diesen weichen Faktoren, könnten die Gemeinden unterstützend und leitend eingreifen und Vernetzungen vor allem in der Senioren-, Jugend- und Vereinsarbeit anregen und unterstützen.
Die Nahversorgung sei in allen Gemeinden gut ausgebaut. Ohne Probleme können sich die Bürger überall mit den Dingen des täglichen Bedarfs eindecken. Der überall verfügbare Lieferservice werde bisher nicht ausreichend genutzt. Darüber hinaus verfügen Aschau, Bernau und Prien immer noch über eine Geschäftswelt, die vieles über den aktuellen Tagesbedarf hinaus anbiete. Auch hier könnten gezielte Maßnahmen dem Einzelhandel weiterhelfen.
Gemeinsame Gästekarte
Die touristischen Angebote sind überall sehr gut, doch fehlt dem Tourismus ein glaubwürdiger Oberbau. Zu viele Köche, die alle nur mit ihrem eigenen Töpfchen beschäftigt sind, rühren hier herum. Ohne Schlechtwetterangebote, ohne eine gemeinsame Gästekarte und die entsprechenden Vergünstigungen in allen Gemeinden, ohne Museumsverbund und ohne bessere Angebote „Unterkunft und Gastronomie“ sei langfristig, trotz See und Gebirge, kein Staat mehr zu machen.
Solnar wies darauf hin, dass die Grundlagenermittlung der erste Schritt für alle weiteren Vorhaben in den Prientalgemeinden sei. Angaben zu konkreten Summen für die Einzelvorhaben könnten in einem so frühen Planungsstadium derzeit noch nicht gemacht werden. Jetzt komme es erst einmal darauf an, entsprechende Unterlagen zu schaffen, dann werde man in einer späteren Phase rechtzeitig über die Kosten sprechen und vor der Verwirklichung miteinander darüber reden.