Rosenheim – Ob der Rosenheimer eine Jugendstrafe bekommt oder nicht, liegt in den nächsten 18 Monaten ganz allein in seinen Händen. Wenn er seine Vorbewährung nutzt und den bereits eingeschlagenen positiven Weg mit der Erfüllung der gerichtlichen Auflagen weitergeht, ist die Angelegenheit für ihn erledigt.
Bis dahin wird er sich in Beratungsgesprächen und einem sozialen Trainingskurs noch eingehend mit den Themen Sucht und Konfliktbewältigung auseinandersetzen müssen. Seine Überreaktion in alkoholisiertem Zustand brachte den Rosenheimer nämlich erst in die Bredouille. Der Volksfestbesuch in Großkarolinenfeld hatte es für den jungen Mann, der schon einmal wegen einer Körperverletzung mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, in sich. In angetrunkenem Zustand beobachtete er, wie auf seinen Freund mit dem Messer eingestochen wurde und der Täter anschließend weglief. In diesem Moment müssen bei dem 20-Jährigen alle Sicherungen durchgebrannt sein, denn anschließend übte er Selbstjustiz. Eigenmächtig verdächtigte er eine Gruppe um einen 19-Jährigen, die sich ebenfalls auf dem Parkplatz aufhielt, den Flüchtenden zu kennen. Doch dem war wohl nicht so. Als der 19-Jährige keinen Namen nennen konnte, schlug der Angeklagte ihm ohne viel Federlesens zweimal mit der Hand ins Gesicht. Der Geschädigte erlitt dadurch nicht unerhebliche Schmerzen.
Der 20-jährige Schläger hat sein Unrecht später doch eingesehen. Im Nachgang bedauerte er sein Verhalten und entschuldigte sich beim Geschädigten im Vorfeld der Verhandlung. Der Geschädigte bestätigte das vor dem Jugendschöffengericht und brachte zum Ausdruck, dass damit die Angelegenheit für ihn erledigt sei.
Im Gerichtssaal zeigte sich der Angeklagte erneut einsichtig und räumte den Tatvorwurf umfassend ein. Er betonte, dass ihm der Vorfall sehr leidtue. Er sei betrunken gewesen und die Situation mit dem Messerstich gegen den Freund habe ihn völlig überfordert. Er habe aber seine Lehren aus dem Vorfall gezogen, sei seither nicht mehr ausgegangen und habe kaum noch Alkohol getrunken.
Aus Sicht der Jugendgerichtshilfe war sein Vergehen nach Jugendstrafrecht zu ahnden. Laut sozialpädagogischer Einschätzung hatte sich die Sozialprognose seit der Tat zum Besseren geändert. Schädliche Neigungen, die eine unbedingte Jugendstrafe begründeten, waren demnach nicht konkret festzustellen.
Die Anklagevertretung folgte diesen Ausführungen und stellte fest, dass es im Erwachsenenrecht zu einer Strafe käme, die im Führungszeugnis auftauchen würde. Im Jugendstrafrecht gebe es dagegen die Möglichkeit, nicht sofort eine Strafe auszusprechen und zu beobachten, ob dies nach Ablauf einer Bewährungszeit – in diesem Fall von zwei Jahren – überhaupt noch notwendig sei.
Das Jugendschöffengericht schloss sich diesen Ausführungen an, hielt aber die Dauer der Bewährungszeit von eineinhalb Jahren für ausreichend. Richterin Verena Köstner stellte fest, dass Tatumstände und Lebenslauf schon Bedenken aufkommen ließen. Selbstjustiz nachdem man bereits wegen Körperverletzung vorgeahndet sei, sei problematisch, aber der Angeklagte habe sich aus seinem „Durchhänger“ befreit. Er habe sich eine Arbeitsstelle gesucht, selbstständig sein Leben strukturiert und insgesamt gesehen eine positive Entwicklung eingeschlagen. „Wenn Sie keine neuen Straftaten mehr begehen, wird Ihnen die Strafe erlassen. Nutzen Sie Ihre Chance“, hieß es in der Urteilsbegründung.