München – „Es war ein sehr, sehr langweiliger Alltag. Es gab keine Abwechslung.“ Monoton und ruhig erzählt der erste Coronavirus-Infizierte in Deutschland im „Bayerischen Rundfunk“ von seinen Tagen in Quarantäne. Jeder seiner 18 Tage in der Klinik in Schwabing habe mit Fiebermessen begonnen. „Ich hatte nie Fieber“, sagt der zur Zeit der Diagnose 33-Jährige, der ansonsten anonym bleiben will. Es folgten Abstriche aus der Nase und vom Rachen. Immerhin an seinem Laptop konnte er arbeiten. Denn: „Mir ging es eigentlich nie schlecht“, sagt der Webasto-Mitarbeiter aus dem Landkreis Landsberg einige Tage nach seiner Entlassung.
Angefangen habe alles Ende Januar mit Halskratzen: „Ich habe gedacht, das ist ganz normal zu der Jahreszeit.“ Dann kamen Husten, Fieber, Schüttelfrost und leichte Gliederschmerzen hinzu. Paracetamol senkte das Fieber. „Damit hatte ich die Geschichte eigentlich schon abgeschlossen.“ Doch montags bei der Arbeit in Stockdorf kam die Nachricht: Eine chinesische Kollegin, die für eine Schulung vor Ort war und mit ihm etwa eine Stunde in einem kleinen Raum saß, ist an dem Virus erkrankt.
Kurze Zeit später stellten Ärzte fest: Auch er ist infiziert. Gefühlt völlig gesund fuhr er mit seinem Auto in die Klinik nach München. „Das war natürlich erst einmal ein Schock. Damit habe ich komplett nicht gerechnet“, erzählt der Mann. Ihm sei alles surreal vorgekommen: „Warum muss ich jetzt die einzige Person in Deutschland sein, die dieses Virus hat?“
Lange blieb er nicht allein, weitere Mitarbeiter wurden positiv getestet und kamen in die Klinik. Kontakt habe nur über WhatsApp oder andere Medien bestanden. Genauso zu seiner schwangeren Frau und der kleinen Tochter, die er per Videoanruf sprechen und sehen konnte. Wenn Pfleger, Krankenschwestern oder Ärzte in sein Einzelzimmer kamen, hätten sie zwar Handschuhe, eine Atemschutzmaske und eine Art Maleranzug, „so einen Kittel“, angehabt. „Aber was dann im Fernsehen gezeigt wurde – etwa Ganzkörperanzüge mit extra Sauerstoffbetankung drin – das hat es nicht gegeben.“
Freiheit und spazieren gehen habe er am meisten vermisst. „Sich mit Menschen einfach in der Öffentlichkeit zu treffen.“ Er konnte sich nicht einmal an ein Datum klammern, das seine Entlassung markierte. Denn Kriterien dafür gab es noch nicht. „Da haben wir sehr lange drauf gewartet, und das hat auch einen sehr hohen psychischen Druck bei uns verursacht.“ Er kann nicht nachvollziehen, warum sich das Ministerium dafür so viel Zeit genommen hat: „Da hat man auch keine Rücksicht auf uns genommen.“
Am 14. Februar, einem Freitagabend, war es endlich vorbei. Er durfte nach Hause. „Ich habe mir eine Pizza bestellt. Natürlich meine Familie begrüßt, umarmt, Wäsche gewaschen.“
Obwohl er laut Ärzten wieder gesund sei und wohl keinen mehr durch Husten anstecken könne, darf er noch nicht zurück auf die Arbeit. Er erfülle noch nicht alle Auflagen des Gesundheitsamts. „Man ist dort sehr, sehr vorsichtig.“ Rausgehen darf er aber, der Alltag sei wieder eingekehrt. Getestet wird er jetzt noch so lange, bis auch die letzte DNA des Virus aus seinem Körper verschwunden ist. Für kommende Infizierte hat er einen Rat: „Ruhig bleiben.“ CINDY BODEN