In unserem Landstädtchen mit S-Bahn-Anschluss an die nahe Großstadt herrscht Trauer. Die beliebte Fischhändlerin ist gestorben. Nun wird das Geschäft mit gemütlicher Imbissstube verschwinden, das sie mit ihrem Team so erfolgreich betrieben hat. Es gibt einfach keinen Nachfolger mehr, der sich die viele Arbeit „antun“ will.
Was von außen her betrachtet nur ein kleiner Verlust zu sein scheint, trifft das menschliche Miteinander in unserer kleinen Gemeinschaft bis ins Mark. Die Verstorbene kannte ihre Kunden und hatte für jeden nicht nur gute Ware, sondern auch ein gutes Wort. Als sie vor Jahren einmal gestürzt war und nicht frei stehen konnte, bediente sie fleißig weiter, auf einen kleinen Rolltisch gestützt, mit dem sie flink zwischen Theke, Lager und Kasse hin und her fuhr.
Welcher der inhabergeführten Betriebe wird wohl der nächste sein, den wir verlieren? Vielleicht die Bäckerei der tüchtigen Bäckerfamilie, die es mit Fleiß zu einigen Filialen gebracht hat und dazu unser „Dorfcafé“ betreibt? Hier ist zwar niemand krank – gottlob –, aber der Seniorchef klagt, dass er kein bezahlbares Personal mehr findet. Niemand will zu den Arbeitszeiten verfügbar sein, die vorwiegend auch auf die Wochenenden fallen, wenn das beliebte Café Hochbetrieb hat. So müssen die erwachsenen Söhne und Töchter einspringen. Aber deren Ehepartner mit 35-Stunden-Berufen in Verwaltungen oder Behörden maulen doch manchmal über die Familie, in die sie da eingeheiratet haben. Betucht mag sie sein, bietet dafür aber zu wenig Freizeit.
Landauf, landab geht es so in Deutschland bei vielen Dienstleistern, die alle Nachwuchssorgen haben. Landgasthäuser verschwinden. Sie leiden besonders unter immer neuen Auflagen für ihre Küchen, Mindestlohn und Arbeitszeitregelungen, die in solchen Betrieben gar nicht eingehalten werden können. Handwerkerfirmen sind glänzend beschäftigt in unserer ganzen Region, aber auch sie finden oft keine Nachfolger und zudem keine Auszubildenden. Ein geregelter Stundenjob bei der städtischen Feuerwehr ist verlockender als die mitunter schweißtreibende Handwerkerarbeit auf Dächern oder in Kellern als Installateur.
Das lautlose Verschwinden unzähliger kleiner Betriebsgemeinschaften von Selbstständigen mit ihrem Team wird von Politik und Verwaltung kräftig gefördert. Denn Regelungswut und Kontrollierungswahn haben sich längst bis in den kleinsten Betrieb hinein verbreitet. Die Zahl der Vorschriften, mit denen auch solche Betriebsgemeinschaften gequält werden, hat jedes vernünftige Maß überschritten. Sie müssen aber immer weiter zunehmen im Dienste der „absoluten Gerechtigkeit“. Es geht nicht anders in einem Land, in dem auch kleine selbstständige Unternehmer unter den Generalverdacht gestellt werden, in erster Linie sich selber auf Kosten anderer bereichern zu wollen. Erst wenn Deutschland sich in eine Service-Wüste verwandelt hat, werden alle merken, dass hier ein Kernbereich der segensreichen Marktwirtschaft systematisch abgewürgt wurde. Dann fällt, wie im Hamlet-Drama, der Vorhang mit lauter Toten auf der Bühne – der Rest ist Schweigen.
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