München – Die Wut war gewaltig. Der Versuch, mit der Fraktionsführung eine „maßvolle, bürgernahe Politik“ zu machen, sei gescheitert, die „Option für eine Versöhnung“ der zwei AfD-Lager „verschenkt“. So stand es in einem Schreiben, mit dem die Landtagsabgeordneten Franz Bergmüller, Anne Cyron und Christian Klingen Ende September ankündigten, der Wahl zum Fraktionsvorstand fernzubleiben. Die sei ohnehin nur „ein abgekartetes Spiel“.
Zwölf von 20 Abgeordneten nahmen schließlich teil – allesamt aus dem Lager der „Flügel“-Frau Katrin Ebner-Steiner, die dann wenig überraschend wiedergewählt wurde. Es schien, als würde eintreten, was sich seit Monaten abgezeichnet hatte: die Spaltung der Fraktion. Das ist bis heute nicht passiert, aber die Spannungen sind deshalb nicht verpufft. Bei der Klausur im oberpfälzischen Roding, die am Montag beginnt, könnten sie wieder wachsen.
In erster Linie soll es an den beiden Arbeitstagen Dienstag und Mittwoch um Inhalte gehen. Ebner-Steiner zufolge wollen die Abgeordneten drei Positionspapiere besprechen und verabschieden. Themen sind die Probleme des ländlichen Raums, der Wohnungsmarkt in Bayern und die Kosten der Asylpolitik, die für die Kommunen anfallen.
Auch Ebner-Steiners Kritiker hoffen auf inhaltliche Fortschritte, zumal die Vorstellungen in den einzelnen Punkten nicht weit auseinanderliegen, wie es heißt. Zugleich kündigen sie aber auch unangenehme Debatten an. „Es gibt einige Dinge, die uns nicht gefallen“, sagt der Abgeordnete Andreas Winhart aus Bad Aibling, der dem vergleichsweise gemäßigten Lager angehört. „Zum Beispiel die Arbeitsmoral in manchen Arbeitskreisen.“
Das Thema hat Unruhe-Potenzial. Denn bei der Neuwahl der Arbeitskreisleiter im November kamen – mit Ausnahme von Bergmüller – ausschließlich Anhänger der Fraktionschefin zum Zug. Den AK „Umwelt und Landwirtschaft“ etwa leitet seither Ralf Stadler, gegen den die Staatsanwaltschaft Deggendorf Strafbefehl wegen Volksverhetzung beantragt hat. Ralph Müller, der Aufsehen erregte, als er beim Gedenken an den ermordeten CDU-Politiker Walter Lübcke im Landtag demonstrativ sitzen blieb, steht dem AK „Bildung und Wissenschaft“ vor. Besonders umstritten ist der neu geschaffene Mini-Arbeitskreis „Europa“, der aus nur drei Abgeordneten besteht.
Für jeden Getreuen des Vorstands sei ein Pöstchen dabei gewesen, sagt Winhart, der selbst gerne den AK Landwirtschaft geleitet hätte. Er und die anderen Gemäßigten halten das für ein Problem, zumal die Fraktionsposten gut bezahlt sind. Ein AK-Leiter bekommt 1600 Euro Zuschlag pro Monat. Viel Geld, auch im Vergleich zu anderen Fraktionen, die für den Posten teils gar keine Zulagen zahlen.
Ebner-Steiner sagte auf Anfrage, in der Fraktion herrsche nach wie vor Personalmangel, die Zulagen erklärten sich durch den „erhöhten Arbeitsaufwand“ für die AK-Leiter. Ihre Kritiker meinen, das siegreiche Lager habe sich schlicht selbst belohnt.
Den großen Aufstand von Roding wird es wohl trotzdem nicht geben. „Die Machtverhältnisse sind jetzt eben so, wie sie sind“, sagt Winhart. Deshalb: Fokus auf die Inhalte. In dem Papier zum ländlichen Raum, das unserer Zeitung exklusiv vorliegt, nimmt die Fraktion etwa die Bevölkerungsabwanderung in Ostbayern in den Blick.
Absagen gibt es bislang nur eine: Anne Cyron, eine der Autorinnen des Abrechnungs-Schreibens vom September, kommt dem Vernehmen nach nicht. Sie war am Freitag nicht zu erreichen. Aus der Fraktion hieß es aber, sie wolle sich das Theater ersparen. MARCUS MÄCKLER