München – Als im Jahr 2016 mit dem Atomabkommen internationale Sanktionen fielen, suchten viele deutsche und bayerische Unternehmen im Iran ihre Chance. Inzwischen leiden die Geschäfte schon länger unter Sanktionen der Amerikaner, die aus dem Abkommen ausgestiegen sind. Was die aktuellen Spannungen für deutsche Firmen bedeuten, erklärt Dagmar von Bohnstein, Geschäftsführerin der Deutschen Außenhandelskammer im Iran, im Interview.
Frau von Bohnstein, Sie sind am Freitag aus dem Weihnachtsurlaub nach Teheran zurückgekehrt. Wie haben Sie dort die letzten Tage erlebt?
Die Stadt stand schon unter dem Eindruck des Todes von General Suleimani, dennoch konnten wir in der Außenhandelskammer relativ normal arbeiten. Persönlich hatte ich als Ausländerin weder am Flughafen noch in der Stadt negative Erlebnisse.
Wie haben deutsche Unternehmen auf die aktuellen Ereignisse reagiert?
Es wurden keine schnellen grundsätzlichen Entscheidungen getroffen. Es ist noch zu früh für eine Analyse und Einschätzung der Auswirkungen der aktuellen Krise. Bis zur Rede von Donald Trump am Mittwochabend hielten wir natürlich alle den Atem an. Jetzt scheint eine weitere militärische Eskalation abgewendet. Gleichzeitig sind neuerliche US-Sanktionen angekündigt. Nächste Woche werden wir uns in einem runden Tisch mit deutschen Unternehmensvertretern zu den Konsequenzen austauschen.
Gibt es Bemühungen von iranischer Seite, ausländische Unternehmen zum Bleiben zu bewegen?
Leider nein. Die iranische Seite zeigt sich eher brüskiert und enttäuscht, dass Firmen sich zurückziehen. Im Moment sind wir sehr bemüht zu erklären, dass das mit Blick auf das US-Geschäft oft unausweichlich ist. Aber Iraner reagieren in der Regel eher emotional als nüchtern pragmatisch.
Es gab mit dem Atomabkommen große Hoffnungen auf gute Geschäfte im Iran mit seinen 80 Millionen Menschen. Doch schon seit dem Ausstieg der Amerikaner geht das Handelsvolumen deutlich zurück. Haben Sie noch genug zu tun?
Gerade in Zeiten von Sanktionen ist das Beratungsangebot der Auslandshandelskammer besonders gefragt. Der Markt ist, unter anderem auch für bayerische Maschinenbauer, weiter interessant. Dennoch haben viele Unternehmen seit Mai 2018 erst ihr deutsches Personal abgezogen und dann auch versucht, iranische Fachkräfte an andere Standorte zu verlegen. Für den Zeitraum Januar bis Oktober 2019 schrumpfte das Handelsvolumen von 3,1 Milliarden Euro im Jahr 2018 auf nur noch 1,4 Milliarden.
Wo liegen die Schwierigkeiten für die Firmen, die im Iran weitermachen wollen?
Die Firmen müssen ihre US-Interessen gegen die iranischen abwägen. Das geht in der Regel zu Gunsten ersterer aus. Gleichzeitig ist es wichtig, zumindest einen Fuß in der Tür zu behalten. Vieles basiert hier auf persönlichen Beziehungen und Vertrauen. Wenn das einmal verletzt ist, lässt es sich auch nur schwer wiederherstellen. Und Wettbewerber, etwa aus China, haben den iranischen Markt genau im Blick.
Gab es große Investitionen deutscher Firmen, die sich heute als verloren herausstellen?
Manche Firmen mussten schon Federn lassen. 2016 kamen viele Unternehmen ins Land und bauten teils auch eigene Produktionen auf. Einiges war noch nicht in dem Stadium, dass es sich auszahlte.
Haben die deutschen Handelsbeziehungen mit dem Iran angesichts der Eskalation eine Zukunft?
Im Iran leben sehr viele junge Menschen, gut ausgebildet, Internet-affin, ausgesprochen deutschlandfreundlich und weltoffen. Das ist eine gute Grundlage für zukünftige Beziehungen. Wirtschaft braucht aber Stabilität. Dafür brauchen wir Abkommen wie den Atomvertrag. Sollte er scheitern und Iran ganz aussteigen, müsste auch die EU irgendwann wieder Sanktionen einführen. Das würde sich massiv auf unsere Handelsbeziehungen mit dem Iran auswirken.
Interview: Stefan Reich