Wien/München – Fliegen wird teurer, die Steuern sollen sinken, die skeptische Haltung zur Zuwanderung bleibt bestehen. Die Ziele der geplanten Koalition aus Konservativen und Grünen in Österreich sind in ihrer Summe doch etwas anders als bisher bekannte Polit-Varianten. Der am Donnerstagabend vorgelegte, mehr als 300-seitige Koalitionsvertrag von ÖVP und Grünen soll laut Lesart der beiden Parteien das Beste aus zwei Welten einen.
„Für die endgültig anstehende große Versöhnung von Ökologie, Ökonomie unter Einbettung sozialer Sicherheit“ sei diese Koalition das Wagnis wert, beschwor Grünen-Chef Werner Kogler bei der Präsentation des Pakts nicht zuletzt auch die eigenen Anhänger. Ein Bundeskongress der Grünen soll am Samstag zustimmen.
Die beiden Parteien bekennen sich dazu, die Republik bis 2040 klimaneutral zu machen – also zehn Jahre eher, als das in Deutschland und der EU geplant ist, wenige Jahre vor den bayerischen Zielen. Außerdem soll bis 2030 der Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien kommen. Die Einkommensteuer für Geringverdiener sinkt den Plänen zufolge von 25 auf 20 Prozent, auch die weiteren Stufen werden gesenkt. Gleichzeitig soll Bahnfahren günstiger und mit Milliardeninvestitionen attraktiver werden. Da Bündnis bekennt sich dabei ausdrücklich zu einer schwarzen Null. Die politisch heikle Frage einer Bepreisung der CO2-Emissionen soll erst später detailliert geklärt werden. Geeinigt haben sich beide auf das Aus für alle Öl- und Kohleheizungen bis 2035. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bleibt unangetastet. Das Land bekommt ein Transparenzgesetz gegen Amtsgeheimnisse.
Beim Thema Migration, das in den Verhandlungen als ein Knackpunkt galt, haben sich ÖVP und Grüne auf eine „neue Migrationsstrategie“ verständigt. Ziel sei die klare Trennung von Asyl und Arbeitsmigration. Der Zugang zum Arbeitsmarkt soll für Arbeitsmigranten erleichtert werden. Beim Asyl wird die konsequente Abschiebung von Drittstaatsangehörigen, denen der Schutzstatus aberkannt wurde, festgeschrieben. Ungewöhnlich ist eine Nebenvereinbarung der Parteien, bei einem Konflikt zum Thema Asyl getrennt abstimmen zu dürfen – in einer Koalition unüblich. Dazu wurde ein Verfahren festgelegt, wonach unter anderem Kanzler Kurz und sein Vizekanzler Kogler zwingend ein Schlichtungsgespräch führen müssen; auch werden die Fachausschüsse im Nationalrat eingeschaltet. Am Ende könnte aber die ÖVP mit der FPÖ die Grünen überstimmen.
Mit Blick auf das Personal wird die Regierung etwas größer, 15 Minister und 2 Staatssekretäre. Erstmals werden dabei mehr Frauen (9) als Männer (8) im Kabinett sitzen, Durchschnittsalter 46. Das wichtige Innenministerium übernimmt der bisherige ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer. Ihm dürfte es leicht fallen, als Innenminister eine harte Sicherheitspolitik zu vertreten. Außenminister bleibt Karrierediplomat Alexander Schallenberg.
Das neue Superministerium der Grünen mit den Themen Klimaschutz, Umwelt, Verkehr und Innovation soll Leonore Gewessler übernehmen. Die 43-Jährige leitete die Umwelt-NGO Global 2000. Sie wird das Pilotprojekt „Tempo 140“ stoppen. Vom niederösterreichischen Bauernbund wechselt Klaudia Tanner (49) ins Verteidigungsministerium – die Juristin wird die erste Frau an der Spitze. Eines ihrer Ziele: 1100 Soldaten für Auslandseinsätze bereitstellen. ÖVP und Grüne schaffen zudem ein Integrationsministerium, Chefin wird die Kurz-Vertraute Susanne Raab. Um Justiz kümmert sich die kürzlich zu den Grünen gewechselte Alma Zadic (35). Sie floh als Kind mit ihren Eltern vor dem Krieg in Bosnien.