Der Mann, den sie in Österreich halb respektvoll, halb spöttisch den „Wunderwuzzi“ rufen, liefert verlässlich Rekorde. Der jüngste Ex-Kanzler der Welt tritt im Alter von 33 nun in seine dritte Bundesregierung ein (selbst die immerwährende Pragmatikerin Merkel schaffte nur zwei unterschiedliche Bündnisse). Die GroKo mit der SPÖ, auch in Wien lähmend, und der Tango korrupti mit der untragbaren Ibiza-FPÖ scheiterten – nun also startet Sebastian Kurz das schwarz-grüne Pilotprojekt. Kann das gutgehen über große ideologische Gräben hinweg?
Es kann – wenn Kurz und sein künftiger Vizekanzler ein Bündnis bilden, wie es zumindest Berlin bisher nicht kennt: in dem man sich auf seinen Kernkompetenzfeldern Freiheit lässt. Die ÖVP soll eine wirtschaftsfreundliche, migrationsbegrenzende Politik fortsetzen, die Grünen machen Österreich mit einem großen Umwelt- und Verkehrsministerium zu Europas Vorreiter im Klimaschutz. Also nicht, wie bei uns üblich, zwei Wahlprogramme für eine Koalition zu Kompromissbrei kneten.
Auf dem Papier klingt das schlüssig. Beide Partner dürfen in Ausnahmefällen im Bereich Asyl sogar gegeneinander stimmen – ein Novum, ein Experiment. In der Praxis drohen dennoch Verwerfungen an der Parteibasis. Oft wird es zudem klassische Zielkonflikte geben, etwa Klimaschutz/Wirtschaft. Das Bündnis ist auch für Kurz persönlich ein Risiko: Bei einem Misserfolg gehen selbst dem Wiener Wunderknaben bald die Koalitionsoptionen aus.
Christian.Deutschlaender@ovb.net