Ein Minister und sein Quälgeist

von Redaktion

Als Minister für Klartext ist Hubert Aiwanger schon landesweit bekannt. Als Minister für Wirtschaft nicht so. Vor allem die FDP beschimpft ihn bei jeder Gelegenheit als Fehlgriff. Seine erste große Regierungserklärung morgen dürfte munter werden.

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Wenn die beiden Herren miteinander reden, geht es durchaus freundlich zu. Man kennt sich, Martin und Hubert duzen sich. Sobald die Herren übereinander reden, wird die Raumtemperatur aber frostig. „Er ist kein guter Wirtschaftsminister“, sagt FDP-Fraktionschef Martin Hagen über Hubert Aiwanger. „Er ist mit allem aufgefallen, aber nicht mit Kompetenz.“ Ihn die Wirtschafts- und Energiepolitik verantworten zu lassen, sei für Bayern „absolut gefährlich“.

Hagen wiederholt das vor Journalisten, neulich bei einer Plenardebatte, auf dem Podium eines wichtigen Wirtschaftsverbands. Tenor immer: Der provinzielle Minister kann’s nicht. Subtext: Die FDP könnte es viel besser.

Aiwanger reagierte anfangs gar nicht. Der Freie-Wähler-Chef hat, was man von wenigen sagen kann, ein dickes Fell. Er teilt aus, er kann einstecken. Bei der nächsten Welle der Hagen-Schelte war er gerade auf Auslandsreise in China. Erst dieser Tage konterte er per Interview und erinnerte Hagen an den letzten FDP-Wirtschaftsminister bis 2013: „Damals ist die FDP mit ihrer ,Wirtschaftskompetenz‘ nicht nur aus der Regierung, sondern auch aus dem Landtag geflogen.“

Auch die Grünen greifen Aiwanger scharf an, ebenso der CSU-Landrätechef Christian Bernreiter, in seinem Fall wegen angeblich gebrochener Versprechen beim kommunalen Finanzausgleich. Hagen ist allerdings am hartnäckigsten. Morgen treffen der Minister und sein Quälgeist zum Rededuell aufeinander. Im Landtag gibt Aiwanger seine erste Regierungserklärung: Stromversorgung, „Bayerns Aktionsprogramm Energie“. Hagen wird darauf antworten. Die FDP hält den Fokus auf eine dezentrale Versorgung mit erneuerbarer Energie für falsch. „Das macht keinen Sinn: wahnsinnig teuer, ineffizient, nicht sinnvoll“, sagt Hagen. Man müsse unter anderem den Windstrom aus dem Norden nach Bayern bringen.

Weil beide zu den besten Rednern des Parlaments gehören, steht eine muntere Debatte an. Aiwanger wird es recht sein. Das lenkt Interesse auf seinen Auftritt. Das Ritual der Regierungserklärungen ist belastet, weil zu viele Minister vom Blatt weg Banalitäten runterleiern. Aiwanger kann das besser. Für ihn ist der Auftritt auch politisch wichtig. Nach 13 Monaten im Amt hat er nämlich eine kuriose Bilanz. Als bodenständiger Typ ist er eine Marke geworden. selbst landesweit bekannte Radio-Komiker arbeiten sich an seinem Dialekt ab. Mit pointierten Aussagen zur Landwirtschaft, Trachtlern (etwa sein Plädoyer fürs Messer in der Hosentasche) und Schützen trifft er Ton und Nerv weiter Teile der Landbevölkerung. Selbst die staatstragende „FAZ“ widmete ihm jüngst eine halbe Seite: „Was Aiwanger macht, ist öfter unkonventionell und sicher nicht immer hasenrein.“ Der Begriff aus der Jagdwelt bezeichnet einen Hund, der nicht ohne Befehl einen gesunden Hasen verfolgt.

Wo Aiwangers Jagdtrieb indes weniger ausgeprägt ist, waren bisher die Fachthemen. Er gilt nicht als sonderlich IT-affin, hatte anfangs kaum Zugang zu den wichtigen Konzernchefs. Die große Hightech-Offensive für Bayern, zwei Milliarden Euro, entstand in Markus Söders Staatskanzlei. Die Details wurden Aiwanger kundgetan, für ihn mit einem Mittelstandsfonds abgerundet.

In der Energiepolitik kann er nun einen eigenen Aufschlag setzen. Die von der CSU betonierte 10H-Abstandsregel für Windräder wird er zwar nicht los. Aiwanger will dennoch eine Strategie bis 2022 vorlegen, heißt es aus seinem Umfeld: 300 neue Windräder bauen, 3000 neue Anlagen für Kraft-Wärme-Kopplung, eine Terawattstunde mehr Strom aus der Wasserkraft, drei Jahre hintereinander jeweils 500 Megawatt mehr aus Fotovoltaik, dazu in Südbayern ein Ausbau der Geothermie.

„Mehr Schwung für die Energiewende“, verspricht Aiwanger. Aber reicht das, um damit den Wegfall von Kernkraft ab 2022 und den erhofften Verzicht auf Importe auszugleichen? Hagen wird das morgen weniger diplomatisch hinterfragen.

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