München/Berlin – Auf den Autobahnen in Richtung Berlin bot sich gestern vielen Autofahrern ein ungewöhnliches Bild. Aus allen Himmelsrichtungen rollten die Traktor-Konvois auf die Hauptstadt zu. Mehrere Bundesländer hatten ihre Autobahnen ausnahmsweise für die landwirtschaftlichen Maschinen freigegeben, um Bauern aus ganz Deutschland die Teilnahme an der Sternfahrt nach Berlin zu ermöglichen. Dort werden heute rund 5000 Traktoren und etwa 10 000 Teilnehmer bei einer Protestkundgebung am Brandenburger Tor erwartet – darunter auch Landwirte aus Bayern (siehe Interview).
Aufgerufen zu der Kundgebung hat die noch junge Bauernbewegung „Land schafft Verbindung“, die vor einem Monat bereits mehr als 1000 Traktoren in die Münchner Innenstadt zur Großdemo gelockt hat. Für die Kundgebung heute in Berlin haben die Organisatoren vier Kritikpunkte an die Politik formuliert: Sie wehren sich gegen das geplante Agrarpaket der Bundesregierung, das unter anderem Beschränkungen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln vorsieht. Ebenso kritisch sieht die Bewegung die Verschärfung der Düngeverordnung, die dem Boden und dem Wasser aus Sicht der Veranstalter mehr schade als nütze. Zudem gefährde das geplante Mercosur-Handelsabkommen die Lebensmittelversorgung aus der Region. Und zuletzt bemängeln die Landwirte eine „permanente negative Stimmungsmache“, die für Frust und Ärger im Berufsstand sorge. Die Organisatoren fordern einen stärkeren Dialog mit ihrem Berufsstand.
Die Bewegung, die sich vor allem über die sozialen Netzwerke organisiert, wird zwar von Berufsverbänden wie dem Bauernverband oder dem Bund Deutscher Milchviehhalter unterstützt, betont jedoch ihre Unabhängigkeit. Bei der Kundgebung in Berlin sollen neben Landwirten auch mehrere Politiker zu Wort kommen, darunter Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), die beide zuletzt in der Bauernschaft wegen ihrer Einigung auf das Agrarpaket stark unter Beschuss geraten waren. Klöckner erklärte im Vorfeld der Demo, ihr sei durchaus bewusst, dass den Landwirten viel zugemutet werde. Sie betonte aber auch, dass es durchaus einen anhaltenden Dialog mit der Branche gebe.
Kritik an der Protestaktion kommt vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, der mehr Engagement von der Landwirtschaft gegen die Nitratbelastung im Grundwasser fordert. „Anstatt Demonstrationen zu organisieren, sollten die Landwirte sich lieber konstruktiv in die Lösung des Problems einbringen“, teilte der Verband mit. Und auch Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogelschutz sagte, die Landwirte sollten aufhören, die vorhandenen Probleme zu leugnen.