München – Manche Karriere endet so schnell, wie sie begonnen hat. Von Freitag bis Sonntag wähnte sich der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, 62, als neuer Innenstaatssekretär in Sachsen-Anhalt. In den Stunden dazwischen schepperte es in der schwarz-rot-grünen Landesregierung aber so sehr – und bundesweit hörbar –, dass die CDU zurückruderte. Oder war es doch anders?
Darüber, wie der Zwist um den streitbaren Gewerkschafter beendet wurde, gibt es zwei Versionen. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) sagte, Wendt habe „nach Erörterung der politischen Lage“ auf die Berufung verzichtet. Der entgegnete in der „Bild“, die CDU habe ihr Angebot zurückgezogen. Sie sei „vor Linken, Grünen und Sozialdemokraten eingeknickt und hat kapituliert“. Mehr noch: „Das Kommando dazu kam aus dem Kanzleramt.“
Die Anschuldigung wiegt schwer. Hatte Berlin seine Finger im Spiel? Landesminister Stahlknecht dementierte das gegenüber der Magdeburger „Volksstimme“ entschieden. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, die Besetzung der Stelle „war und ist ausschließlich von der Regierung in Sachsen-Anhalt zu entscheiden“. Wendt äußerte sich nicht weiter zu seiner Behauptung.
Der Streit hat viel verbrannte Erde hinterlassen. Ministerpräsident Reiner Haseloff und Innenminister Stahlknecht (beide CDU) hatten Grüne und SPD mit der Wendt-Berufung überrumpelt. Die Koalitionspartner gingen gleich zur Gegenoffensive über und erklärten den Kandidaten für ungeeignet. Der sieht sich nun als Opfer des „linken Mainstreams“, wie er bei Facebook schreibt. „Ich hätte Sachsen-Anhalt gern gedient. Lügner und Heuchler haben das verhindert.“
Solche Sätze deuten auf das Problem hin, das manche mit dem 62-Jährigen haben. Er gilt als Provokateur, der scharf, bisweilen alarmistisch formuliert. Seine Bücher tragen Titel wie „Deutschland in Gefahr“ und „Deutschland wird abgehängt“. Für die einen ist er Reizfigur, andere schätzen ihn umso mehr. Bei der erzkonservativen „Werte Union“ genießt Wendt große Anerkennung und auch die AfD kann sich für ihn erwärmen. Am Freitag twitterte der AfD-Landtagsabgeordnete Ulrich Siegmund zur gerade verkündeten Berufung: „Sehr gut! Unser erster inoffizieller Staatssekretär.“
Allerdings ist Wendt, der die kleinere von zwei deutschen Polizeigewerkschaften führt, nicht nur wegen seiner Positionen umstritten. Seit herauskam, dass er in Nordrhein-Westfalen jahrelang einen Beamtensold als Polizist bezog, obwohl er längst hauptamtlich als Gewerkschaftschef tätig war, ist sein Ruf angekratzt. Zudem lief seit 2017 ein Disziplinarverfahren des Landes NRW gegen ihn, das im Oktober abgeschlossen wurde. Ergebnis: Wendt habe im Zusammenhang mit einem Aufsichtsratssitz beim Axa-Konzern gegen Dienstpflichten verstoßen.
Der mit monatlich 11 230 Euro brutto bezahlte Staatssekretärs-Posten muss nun anders besetzt werden, Amtsinhaberin Tamara Zieschang wechselt ins Bundesverkehrsministerium. Dass mit ihr eine CDU-Politikerin kommt, soll bei der Schwesterpartei Verwunderung ausgelöst haben. Dem Vernehmen nach gab es Versuche, CSU-Chef Markus Söder zu einem Veto gegen den Wechsel zu bewegen, um auch Wendt zu verhindern. Er lehnte aber ab.
Wendt verteidigt sich via Facebook. Das mit der „Doppelbesoldung“ sei eine Lüge, Medien sollten „endlich nach der Wahrheit“ fragen – aber offenbar nicht ihn selbst. Ein Gespräch mit unserer Zeitung lehnte er ab. M. MÄCKLER