München – Am Ende stört nur ein hässliches Quietschen die Harmonie: Der Ministerpräsident und sein Vize schleifen persönlich ein großes Fotovoltaik-Modul über den Marmorboden der Staatskanzlei ins Kamera-Blickfeld. Das Solarpanel steht bald dekorativ zwischen Markus Söder und Hubert Aiwanger. Das Quietschen bleibt im Großen und Ganzen der einzige Misston des Klimaschutzgesetzes von CSU und Freien Wählern.
Ein übergeordnetes Gesetz und 96 Maßnahmen legt die Staatsregierung am Dienstag vor. Ein Balanceakt – denn die Inbrunst für teuren Klimaschutz ist innerhalb beider Parteien höchst unterschiedlich ausgeprägt. Söder in der CSU und Umweltminister Thorsten Glauber bei den Freien Wählern sind treibende Kräfte, mit bayerischen Zielen den Bund noch zu überholen. „Pionier und Vorbild“ wolle man sein, sagt Söder. „Ein Gemeinschaftswerk, das man mit Freude vertritt“, frohlockt Glauber.
Neues Ziel: Bayern soll statt 2050 nun schon im Jahrzehnt davor klimaneutral werden, also in der Summe kein CO2 mehr ausstoßen. Zwischenziel: Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß pro Kopf von sieben auf unter fünf Tonnen sinken. Bis zur nächsten Wahl (2023) stellt Bayern 700 Millionen Euro für Klimaschutzmaßnahmen bereit.
Das Konzept fußt auf drei Säulen: Der Ausstoß des Treibhausgases soll runter; Bayerns Umwelt soll fit gemacht werden für den Klimawandel; die Forschung wird ausgebaut. Verbote sind nicht vorgesehen. Mehrere Einzelmaßnahmen waren schon bekannt. Das Aufforsten im Staatswald etwa umfasst 30 Millionen Bäume in fünf Jahren, fünf Millionen mehr als geplant. Bisher nur angedeutet war ein Programm zur Moor-Renaturierung. Konkret sollen nun bis 2029 rund 20 000 Hektar Moor-Fläche hinzukommen, teils vom Staat gekauft. Nasse Moore speichern extrem viel CO2, setzen beim Austrocknen aber sehr viel frei – fast ein Viertel der Emissionen der bayerischen Landwirtschaft. Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) will kleinräumige Förderprogramme für die Bauern entwickeln. „Wir müssen ein Angebot machen“, sagte sie unserer Zeitung. Wenn etwa im Donau-Moos ein Kartoffelbauer seine Flächen für Moore bereitstelle, müsse der Staat das finanziell ausgleichen. Im Staatswald sind 147 Moor-Maßnahmen geplant.
Bayern will den Ökolandbau bis 2030 auf 938 000 Hektar ausweiten. In Augsburg entsteht ein „Zentrum für Klimaforschung“, in Regensburg eine „Landesagentur für Energie und Klimaschutz“. Weitere Pläne: Holzbau fördern, Fotovoltaik massiv ausweiten, 100 Windräder in Staatswäldern bauen, zwei Drittel des Fuhrparks auf Elektro/Hybrid/Wasserstoff umstellen.
Aiwanger dringt auf wirtschaftsfreundliche Schritte. „Wir müssen verhindern, dass wir Standortverlagerungen anzetteln“, sagt er, mit dem Ergebnis ist er zufrieden. Hinter den Kulissen wurde energisch gerungen. Dem Vernehmen nach rutschte aus der ersten Wünsch-Dir-was-Liste der Ministerien die Idee, den Neubau von Einfamilienhäusern zu bremsen. Auch dutzende teure Berater-Stellen wurden gestrichen.
Das Gesetz geht (wie der Nachtragsetat) im Dezember in den Landtag. Informell regt die CSU nochmal an, Klimaschutz in die Verfassung zu schreiben; bisher scheitert das ausgerechnet an den Grünen. Deren Fraktionschef Ludwig Hartmann bleibt unzufrieden: „Das wohlhabendste Bundesland leistet sich allen Ernstes das armseligste Klimaschutzpaket.“ Keine Maßnahme sei „hochwirksam“. Die Opposition dringt vor allem auf ein Ende der Windrad-Abstands-Regeln („10H“). Söder hält daran fest. „Das hat viel Frieden gebracht.“
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER