Washington – Der 76-jährige Joe Biden, unter Barack Obama acht Jahre lang Vizepräsident, hat es nicht leicht in diesen Wochen. Kaum ein Fettnäpfchen, das der Demokrat – einer von derzeit noch 20 Präsidentschaftsbewerbern der Partei – vermeiden kann. Da wird der Bundesstaat New Hampshire, der im Februar 2020 nach dem Start in Iowa als zweite Station die wichtigen „Primaries“ – also die innerparteilichen Vorwahlen – abhalten wird, von ihm mit Vermont verwechselt. Dann erinnert Biden sich, dass ihn Überlebende des Schulmassakers von Parkland (Florida) besucht hätten, als er Vizepräsident gewesen sei. Doch der Amoklauf mit 17 Toten fand erst im Februar 2018 statt, als bereits Donald Trump regierte. Und der Kandidat fabulierte auch: „Arme Kinder“ seien ebenso begabt wie die „Kinder von Weißen“ – und implizierte damit anbiedernd Mitleid mit Minderheiten in den USA, die der Millionär Biden allgemein als Geringverdiener ansieht.
Dann kam vor einer Woche der Schocker: Eine Umfrage der Monmouth Universität, die Biden erstmals in der Wählergunst mit nur noch 19 Prozent hinter seine Mitbewerber Bernie Sanders und Elizabeth Warren zurückfallen sah. Sanders und Warren, beide Mitglieder des US-Senats, kamen auf jeweils 20 Prozent.
Das verspricht jede Menge Spannung für den politischen Herbst in einem immer noch mit derzeit 20 Kandidaten für Außenstehende nahezu unüberschaubaren Feld. Doch der Exodus chancenloser Bewerber, die als schnell verglühte Sternschnuppen nur eine Fußnote der Geschichte sein werden, dürfte sich in den kommenden Wochen beschleunigen. Am Mittwochabend warf die New Yorker Demokratin Kirstin Gillibrand das Handtuch, nachdem sie es nicht geschafft hatte, sich für die nächste TV-Debatte am 12. September in Houston (Texas) zu qualifizieren.
Zu den großen Verlierern zählt auch der kalifornische Selfmade-Milliardär Tom Steyer, der – spät ins Rennen gegangen – in den letzten Wochen täglich mehr als 350 000 Dollar aus der eigenen Tasche in TV- und Online-Werbung geworfen hatte und rund 100 Millionen Dollar für seine Kampagne ausgeben will. Steyer hatte mit seinem steten Trommeln für ein Amtsenthebungs-Verfahren gegen Trump Schlagzeilen gemacht, doch am Ende reichte dieser Programmpunkt nicht aus, ihn über die Zwei-Prozent-Hürde für einen TV-Diskussionsauftritt nächsten Monat zu hieven.
Gut im Feld liegen hingegen neben Biden, Sanders und Warren auch noch die farbige Senatorin Kamala Harris und ihr afro-amerikanischer Kollege Cory Booker aus New Jersey.
Diese fünf Demokraten können derzeit vor allem mit einem Trumpf wuchern: Umfragen zufolge würden sie im landesweiten Duell mit Donald Trump dem Präsidenten eine zweite Amtszeit verwehren, wenn jetzt gewählt werden würde. Den größten Auftrieb verspürt momentan zweifelsohne Elizabeth Warren, die frühere Harvard-Professorin und eine Repräsentantin des progressiven linken Parteiflügels. Ihre gegen die Wall Street gerichteten Parolen und das Wettern gegen die oberen „One percent“ in den USA scheinen anzukommen, wie Umfragen und jüngste Aufnahmen von Veranstaltungen in Iowa zeigen. Dort warteten tausende Bürger geduldig stundenlang, um sich für ein Selfie mit der Kandidatin ablichten zu lassen. Bei anderen wiederum, wie dem 2018 noch als „weißem Obama“ gepriesenen Texaner Beto O’Rourke, macht sich mittlerweile ganz offiziell Verzweiflung breit. Auch er schaffte es gerade über die Zwei-Prozent-Hürde und sprach jetzt in einer E-Mail an seine Fans von einem „schwierigen Monat“.
FRIEDEMANN DIEDERICHS