Berlin – Es war SPD-Interimschef Thorsten Schäfer-Gümbel, der gestern ein Konzept zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer präsentierte. Es sieht staatliche Einnahmen von bis zu zehn Milliarden Euro im Jahr vor. Allein im kommunalen Bereich fehlten Investitionsmittel von 150 Milliarden Euro, sagte Schäfer-Gümbel der „Rheinischen Post“. „Nach unseren Vorstellungen sollen diejenigen, die gerade in den vergangenen Jahren überproportional von der wirtschaftlichen Lage, selbst in der Finanzmarktkrise 2008/2009, profitiert haben, einen größeren Beitrag für die nötigen Investitionen leisten, also für die Infrastruktur, fürs Wohnen und für den Klimaschutz“, sagte Schäfer-Gümbel. Dies seien vorrangig Multimillionäre und Milliardäre. Auch Kapitalgesellschaften sollten einbezogen werden. „Wir orientieren uns am Schweizer Modell. Dazu gehört, dass wir Regeln einbauen wollen, die bei wirtschaftlicher Schieflage zusätzliche Probleme verhindern“, so Schäfer-Gümbel.
Der kommissarische SPD-Chef verwies darauf, dass es in anderen Ländern höhere Vermögenssteuern gebe, als die SPD sie plane. In den USA liege der Anteil bei vier Prozent, in Frankreich und Großbritannien bei mehr als vier: „Wenn wir die Vermögenssteuer mit einem Prozent einführen, sehe ich nicht, dass das deutschen Unternehmen international schaden würde.“ Die Vermögenssteuer wird in Deutschland seit 1997 nicht mehr erhoben.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak warf der SPD eine „billige Neiddebatte“ vor. Die SPD versuche, die Partei Die Linke zu kopieren. „Mit der Union wird es keine Besteuerung von Vermögen geben“, stellte Ziemiak fest. „Was wir jetzt brauchen, sind nicht zusätzliche Steuern, sondern Entlastungen für die Wirtschaft und Investitionen in die Zukunft des Standortes Deutschland.“ CDU/CSU-Finanzobmann Hans Michelbach sprach von „Klassenkampf mittels Steuerpolitik“. Um die angestrebten Einnahmen zu erhalten, „müssten weite Teile der hoch qualifizierten und gut verdienenden Mittelschicht“ herangezogen werden. Der CDU-Wirtschaftsrat warnte: „Die Besteuerung von Unternehmensvermögen greift die Substanz der deutschen Wirtschaft in ihrem Kern an.“ Der Vorstoß „atmet einen unternehmerfeindlichen Geist“, kritisierte Generalsekretär Wolfgang Steiger.
Die FDP nannte den Vorstoß „falsch und unsinnig“. Deutschland sei schon heute ein Hochsteuerland, erklärte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Florian Toncar.
Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) gehen die Vorschläge dagegen in die richtige Richtung. „In kaum einem europäischen Land ist das Vermögen so ungleich verteilt wie in Deutschland“, erklärte DGB-Chef Hoffmann. Auch die Linkspartei begrüßte den Vorstoß grundsätzlich, hält ihn aber für nicht weitgehend genug. Mit einer „Vermögenssteuer-Light“ vermeide es die SPD, „den Reichen wirklich auf die Füße zu treten“, so Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte. Die benötigten Einnahmen würden nicht ansatzweise erzielt. Der Sozialverband VdK erklärte: „Während Unternehmer neue Yachten bestellen, sammeln unzählige Rentner Pfandflaschen oder arbeiten im Supermarkt, um über die Runden zu kommen.“ Mit der Vermögenssteuer könne es „wieder gerechter zugehen“.
Alarmiert reagierte der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). Deren Präsident Dieter Kempf sagte der dpa: „Es gibt keine überzeugenden Gründe, wieder eine Vermögenssteuer einzuführen. Eine Vermögenssteuer ist kein Mittel zur Lösung von Verteilungsfragen, sondern würde Investitionen und Arbeitsplätze gefährden. Es ist ermüdend und nicht zielführend, diese in allen Details bereits geführte Debatte wieder und wieder zu führen.“ Der Aufwand einer solchen Steuer sei immens hoch, die möglichen Schäden für den Wirtschaftsstandort wären enorm. Der Staat verfüge bereits über Rekordeinnahmen. „Jetzt über Steuererhöhungen zu reden, ist völlig daneben“, sagte Kempf. „Anstatt die Wiedereinführung einer der ineffizientesten Steuern überhaupt zu fordern, muss Deutschland endlich strukturelle Steuerreformen angehen. Unsere Unternehmen stehen in einem immer schärferen internationalen Steuerwettbewerb“, so der BDI-Chef.
In der Debatte um den Kurs der SPD signalisierte das Vorsitz-Bewerberduo Olaf Scholz und Klara Geywitz derweil Offenheit für eine Regierungsarbeit mit der Linkspartei im Bund. Ihre Partei habe in Brandenburg zehn Jahre lang gute Regierungserfahrung mit der Linken gemacht, sagte Geywitz. Scholz verwies darauf, dass die SPD bereits vor zehn Jahren beschlossen habe, dass Koalitionen auch mit der Linken denkbar seien. „Das werden wir zu gegebener Zeit beurteilen“, sagte er.
CDU: SPD führt billige Neiddebatte