GEORG ANASTASIADIS
Politik und Medien in Deutschland kannten in diesem Jahr nur ein Thema: Greta Thunberg, die Fridays-for-Future-Bewegung und das Klima. Gemessen daran ist der Greta-Effekt eher bescheiden: Drei von vier Deutschen geben an, ihr Verhalten nicht oder kaum geändert zu haben. Dazu passend präsentierte die Luftfahrtbranche gerade ihre Rekordbilanz fürs erste Halbjahr. Nie zuvor stiegen so viele Deutsche in den Flieger. Das Theater um die Atlantiküberquerung der Klima-Prophetin im Segelschiff hat bei vielen Bürgern den Überdruss über den als inszeniert empfundenen Hype wachsen lassen.
Das ist kein Grund zu heimlicher Freude oder Häme. Aber eine Mahnung: an die Medien, es mit „Volkserziehung“ und Untergangsszenarien nicht zu übertreiben. Und an die Politik, der Klima-Herausforderung entschlossen, aber mit Pragmatismus und Augenmaß zu begegnen. Vermutlich werden die Grünen sich nun angespornt sehen, den Bundesbürgern den CO2-Hunger erst recht mit Verboten und hohen Steuern auszutreiben. Doch die mutwillige Zerstörung des brasilianischen Regenwalds unter den Augen der dortigen Regierung führt Deutschland sehr deutlich vor Augen, wie begrenzt die Möglichkeiten sind, das Weltklima mit nationalen Alleingängen zu retten.
Was Greta in einem Jahr unbestreitbar geschafft hat, ist die Herstellung eines neuen Bewusstseins für die Verletzlichkeit der Erde. Was es statt nationaler Hysterien braucht, sind weltumspannende Strategien und – wie der Blick auf den G7-Gipfel schmerzhaft vor Augen führt – ernsthafte Partner zu ihrer Umsetzung. Europa kann und soll auch vorangehen, mit einer Begrenzung und Verteuerung der Verschmutzungsrechte, die die Industrie zur Entwicklung umweltfreundlicherer Technologien zwingt. Niemandem aber ist geholfen, wenn überzogene staatliche Maßnahmen Konzerne dazu veranlassen, ihre Produktion am Ende in Länder wie Brasilien zu verlagern, die skrupellos Raubbau an der Zukunft der Erde betreiben.
Georg.Anastasiadis@ovb.net