Das Von-der-Leyen-Dilemma

von Redaktion

Die SPD hat sich im Brüsseler Polit-Poker verzockt – Jetzt muss sie artig gratulieren

Straßburg/Berlin – In der Politik gilt wie im Leben allgemein: Wer sich vorschnell in eine Ecke manövriert, kommt schwer wieder raus – und schon gar nicht, ohne Spott zu ernten. Die SPD und ihre Haltung bei der Wahl Ursula von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin bieten dafür ein Paradebeispiel. Kaum war die CDU-Politikerin Anfang Juli nominiert, sprangen die deutschen Sozialdemokraten in die Ecke der Nein-Sager. Und konnten eigentlich nur noch verlieren.

Schnell war klar: Entweder würde von der Leyen bei der Wahl durchfallen – und man würde der SPD die Schuld geben, dass nun keine Deutsche und keine Frau an der Spitze der Kommission steht. Oder sie würde gewinnen und die 16 SPDler im Parlament stünden ziemlich alleine da. Fall zwei ist nun eingetreten.

Der einzige Weg, halbwegs das Gesicht zu wahren: Nicht schmollen, Größe zeigen, gratulieren. So wie Neu-Parlamentarierin und Ex-Justizministerin Katarina Barley, die von der Leyen „eine glückliche Hand“ wünschte, um gleich darauf zu betonen: „Wir waren nicht einer Meinung auf dem Weg hierher. Aber für ein friedliches, freies, nachhaltiges, soziales und gerechtes Europa hast du meine Unterstützung.“

Das kommissarische SPD-Führungstrio Malu Dreyer, Thorsten Schäfer-Gümbel und Manuela Schwesig kündigte an, die SPD werde von der Leyen „nach Kräften unterstützen“.

Jetzt also nach vorne schauen, als wäre nichts gewesen? Das lässt schon der Koalitionspartner im Bund nicht zu. Annegret Kramp-Karrenbauer kündigte kurz nach der Wahl in der ARD an, die Sache werde ein Nachspiel haben. Auch andere Unionspolitiker zeigten sich demonstrativ verstimmt.

Für Kritik hatten die Sozialdemokraten zuletzt reichlich Angriffsfläche geboten. Barley schimpfte, von der Leyen sei bei der Europawahl nicht Spitzenkandidatin gewesen und außerhalb Deutschlands kenne sie „kein Mensch“. Ex-Parteichef Sigmar Gabriel schimpfte über „Wahlbetrug“ und sprach davon, die Koalition zu verlassen.

Dabei waren die deutschen SPD-Abgeordneten selbst unter den Sozialdemokraten in Brüssel in der Minderheit. Man hatte damit gerechnet, dass das Prinzip der Spitzenkandidaten auch anderen europäischen Ländern wichtiger sei – doch als es verletzt wurde, gab es außer in Deutschland und den Benelux-Staaten kaum echte Empörung. THERESA MÜNCH

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