Berlin – „Mit geht es sehr gut, man muss sich keine Sorgen machen.“ So reagierte gestern Nachmittag Angela Merkel. Rund eine Stunde zuvor stand die Regierungschefin auf dem Ehrenhof des Bundeskanzleramtes neben dem finnischen Ministerpräsidenten Antti Rinne. Merkel hörte die Nationalhymne – und fing wieder an zu zittern. Berlin ist erneut beunruhigt. Das Zittern der Kanzlerin wird immer mehr zum Politikum.
„Ich habe neulich schon einmal gesagt“, erläuterte sie auf der Pressekonferenz mit dem finnischen Gast, „dass ich in einer Verarbeitungsphase der letzten militärischen Ehren bin mit dem Präsidenten Selenskyj. Die ist offensichtlich noch nicht ganz abgeschlossen“, so Merkel lächelnd. „Aber damit muss ich jetzt eine Weile leben.“
Gemeint war der erste Zitteranfall beim Besuch des neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Damals sagte die Regierungschefin, sie habe zu wenig getrunken, drei Glas Wasser hätten geholfen. Das beruhigte die Öffentlichkeit. Dann folgte der zweite Anfall vor genau zwei Wochen während der Ernennung der Justizministerin Christine Lambrecht im Schloss Bellevue. Aus ihrem Umfeld wurde gestreut, das erneute Zittern sei psychologisch bedingt. Die Erinnerung an die erste Attacke habe die zweite ausgelöst. Seitdem sind selbst internationale Medien alarmiert. Merkels Verfassung war sogar Thema beim G20-Gipfel in Japan, zu dem sie im Anschluss an den Vorfall in Bellevue reiste. Aus der CDU hieß es, Merkel habe zuletzt sehr ausgelaugt gewirkt.
Auf die Nachfrage, ob sie ihren Gesundheitszustand nicht doch öffentlich machen müsse, sagte Merkel gestern: „Ich glaube, dass meine Äußerungen dazu getan wurden heute.“ Ansonsten sei sie „ganz fest davon überzeugt, dass ich gut leistungsfähig bin“. Zuvor hatte man Merkel entspannt mit Finnlands Ministerpräsident auf dem Balkon des Kanzleramtes gesehen. In der Hand ein Glas Wasser. Alles wieder in Ordnung, war die Botschaft.
Gleichwohl ist ihre Verfassung jetzt vollends zum Politikum geworden. Die Zurückhaltung der Medien bröckelt. Das bekam gestern die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer zu spüren. Merkel gehe es offenbar nicht gut, welche Ursache es dafür gebe? „Ich kann ihnen sagen, der Bundeskanzlerin geht es gut“, wehrte Demmer mehrfach ab. Zahlreiche weitere Fragen nach einer aktuellen ärztlichen Behandlung oder nach medizinischen Maßnahmen beantwortete sie nicht. Merkel habe in den vergangenen drei Wochen alle Termine „bester Dinge absolviert“.
Das stimmt. Die Kanzlerin hat kaum Pausen eingelegt. Manch einer in Berlin fühlt sich jedoch inzwischen an den Halbsatz bei ihrer Abdankung als Parteivorsitzende erinnert: Sie wolle ihre Zusage einlösen, bis 2021 Kanzlerin zu bleiben – „wenn die Gesundheit es zulässt“. Ist das noch der Fall? Der Verdacht, dass dem nicht mehr so sein könnte, ist nun erst recht in der Welt. Merkel, sagten zuletzt Parteifreunde, sei auch nur ein Mensch. Am kommenden Mittwoch wird sie 65 Jahre alt. HAGEN STRAUSS