Bremen – Im kleinsten Bundesland Bremen liefern sich CDU und SPD ein Duell, wer sein Dreierbündnis an die Regierung bringt. Die Union ist erstmals stärkste Kraft im einst roten Bremen und setzt auf Grüne und FDP. Jamaika heißt diese Koalition auf Politikdeutsch, weil die Karibikinsel Schwarz, Grün und Gelb auf ihrer Fahne hat.
Die SPD hofft trotz Stimmverlusten an der Macht zu bleiben. Dazu muss sie erneut die Grünen gewinnen und zusätzlich die Linkspartei ins Boot holen. Es wäre die erste rot-rot-grüne Regierung in einem westdeutschen Bundesland. Doch Bremen war schon mehrfach Experimentierfeld der deutschen Politik. Auch für die Parteien in Berlin ist es strategisch wichtig, was an der Weser geschieht.
Eine große Koalition hat die SPD ausgeschlossen. Die umworbenen Grünen wollen nach den Sondierungsrunden in der neuen Woche festlegen, mit wem sie über eine Koalition verhandeln. Die Aussichten:
Warum Jamaika kommen könnte: In Bremen liegt nach sieben Jahrzehnten unter der SPD so etwas wie Wechselstimmung in der Luft. Nicht nur, dass die CDU mit 26,66 Prozent erstmals vor der SPD (24,94 %) lag. CDU-Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder, Unternehmer und Quereinsteiger, gewann 104 000 Personenstimmen. SPD-Bürgermeister Carsten Sieling kam nur auf 65 000 Stimmen.
Persönlich können die führenden Christdemokraten und Grünen (17,42 Prozent) in Bremen miteinander. Als Meyer-Heder und sein Team der Ökopartei um Fraktionschefin Maike Schaefer die Aufwartung machten, war die Atmosphäre gelöst. Für die Spitzengrünen könnte es attraktiv sein, nach zwölf Jahren mit der SPD mit einem neuen Partner in Umwelt- und Verkehrspolitik vieles anders zu machen. Zudem: Auf Länderebene funktioniert Jamaika bereits in Schleswig-Holstein.
Woran Jamaika scheitern könnte: Beim Thema Innere Sicherheit liegen CDU und Grüne weit auseinander. Viele Bremer Grüne hegen eine Abneigung gegen die autofreundliche FDP (5,95 Prozent) und deren Spitzenkandidatin Lencke Steiner. Anders als die Grünen-Spitze tickt die Basis eher links und rot. Sie könnte einen Vorschlag zu Koalitionsverhandlungen mit CDU und FDP ablehnen. Auch wäre eine CDU-geführte Regierung – Wahlerfolg hin oder her – nicht unbedingt populär. Nur 37 Prozent der Bremerinnen und Bremer seien dafür, hat die Forschungsgruppe Wahlen ermittelt. 53 Prozent wollten einen SPD-geführten Senat.
Warum Rot-Grün-Rot kommen könnte: Die Bremer SPD hat nach dem schlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte die Reihen zunächst geschlossen und will die Regierung in der einstigen Hochburg nicht abgeben. Sielings Hauptargument, das er schon in den letzten Tagen des Wahlkampfs bemüht hat: Es gibt eine strukturelle linke Mehrheit aus SPD, Grünen und Linkspartei. In Bremen gibt sich die Linkspartei (11,32 Prozent) mit ihrer Fraktionschefin Kristina Vogt pragmatisch und ist zum Regieren bereit. In der Sozialpolitik stehen sich die Parteien nahe.
Woran Rot-Grün-Rot scheitern könnte: Auch hier ist das Verhältnis der kleineren Partner schwierig. Die Grünen wollen am Sparkurs ihrer bisherigen Finanzsenatorin Karoline Linnert festhalten; die Linken stellen die Schuldenbremse in Frage. Zusammen fordern beide von der SPD ein Signal für Veränderungen, für einen Aufbruch. Auch haben Grüne und Linke Stimmen hinzugewonnen und verlangen, vom großen Partner auf Augenhöhe behandelt zu werden. „Die SPD steht für einen Aufbruch“, sagte Bürgermeister Sieling am Freitag. Doch es ist fraglich, welche Signale die geschwächte Partei senden kann. FRIEDEMANN KOHLER