Mr. Brexit bei der Queen

von Redaktion

Der pompöse Staatsbesuch in Großbritannien bietet für Donald Trump einige protokollarische Stolperfallen. Vor allem fällt die Reise in wilde politische Zeiten. Der US-Präsident bleibt sich treu und sorgt bereits vorab für Turbulenzen – auf erprobte Weise.

VON CHRISTIANE JACKE UND SILVIA KUSIDLO

London/Washington – Ist Königin Elizabeth II. ein solcher Gast wirklich zuzumuten? Das fragen sich viele Briten anlässlich des Besuchs von US-Präsident Donald Trump. Es ist nicht irgendeine Arbeitsvisite, sondern ein offizieller dreitägiger Staatsbesuch. Mit allem Pomp, den das britische Königshaus zu bieten hat. Die 93 Jahre alte Queen hat schon viele US-Präsidenten kommen und gehen sehen. Doch Trump sticht heraus: Das beweist er wieder einmal – bevor er britischen Boden betreten hat.

Im vergangenen Juli war Trump bereits zu einem Arbeitsbesuch in England. Damals düpierte er die britische Premierministerin Theresa May mit einem Interview in der Boulevardzeitung „Sun“, das kurz nach einem festlichen Gala-Dinner mit May erschien. Darin: ungalante Kritik von Trump an Mays Brexit-Kurs und unverhohlenes Lob für deren Erzrivalen Boris Johnson. Ein Affront.

Nun hat es Trump wieder getan. Wieder ein „Sun“-Interview. Wieder kritisiert er May. Dazu die Empfehlung, dass Johnson ihre Nachfolge übernehmen sollte: „Ich denke, Boris würde einen sehr guten Job machen. Ich glaube, er würde ausgezeichnet sein.“ Johnson sei „ein sehr guter Kerl, ein sehr begabter Mensch“. In einem Interview der „Sunday Times“ empfiehlt er notfalls einen „No-Deal“-Brexit. Die Regel, dass sich ausländische Staatsgäste nicht in Personalangelegenheiten anderer Länder einmischen, gilt nicht für Trump.

Seine Worte sind wie Öl ins Feuer in Großbritannien. Das Land steckt in größten Turbulenzen, ringt mit sich und der EU um den Brexit. May ist am Ende und hat ihren Rücktritt angekündigt. Zwei Tage nach Trumps Abreise aus England wird sie die Führung der Konservativen Partei abgeben und Ende Juli auch als Regierungschefin abtreten. Trumps Besuch ist eine ihrer letzten großen Amtshandlungen. Johnson würde gerne die Nachfolge antreten.

Trump dürfte seinen Großbritannien-Besuch also mit Genugtuung begehen. Er ist seit Langem für den Brexit, am liebsten ohne jeden Deal, so wie es auch Johnson will. Ziel ist ein freies Spiel für die transatlantischen Märkte, Freihandel ohne Zölle und ohne Regulierung. Der US-Präsident ist weder Freund der EU noch des Multilateralismus im Allgemeinen.

Im August 2016, wenige Monate vor seiner Wahl, schrieb Trump auf Twitter: „Bald werden sie mich Mr. Brexit nennen!“ Nun also ist Mr. Brexit zu Besuch in Großbritannien. Viele Briten sind darüber „not amused“. Der britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn etwa schlug eine Einladung zum Staatsbankett mit Trump aus. Generell ist Trump in Großbritannien denkbar unpopulär. Der Staatsbesuch hätte längst stattfinden sollen – doch London ließ sich mit einem Termin lange Zeit. In einer Petition sprachen sich Millionen Briten gegen den Besuch aus.

„Eine Menge Leute wollen ihn hier nicht sehen“, sagt Clodagh Harrington, Expertin für US-Politik an der De Montfort Uni in Leicester. Die Demonstrationen werden ihrer Ansicht nach noch deutlich größer ausfallen als im Sommer 2018. Sinnbild für die Proteste war damals ein riesiger Ballon, der über den Demonstranten in London schwebte – in Form von Trump als mürrisches Baby in Windeln. Er soll auch diesmal fliegen. Trump selbst sagt: „Ich denke – ich hoffe –, dass man mich im Vereinigten Königreich wirklich mag.“

Diesmal kann der Präsident – anders als 2018 – wegen des offiziellen Programms keinen Bogen um das Zentrum Londons machen. Ein Staatsbesuch wird anders als ein Arbeitsbesuch mit dem ganzen Pomp des Königshauses zelebriert. Empfang im Buckingham-Palast, Mittagessen mit der Queen, Besuch der Westminster Abbey, Tee mit Prinz Charles, Staatsbankett im Palast: Trump und First Lady Melania – möglicherweise begleitet von Familienmitgliedern – bekommen das volle Programm. Mit einer Ausnahme: Die Fahrt in goldverzierter Kutsche auf der Londoner Prachtstraße „The Mall“ gibt es nicht. Vermutlich wegen der erwarteten Proteste.

Das royale Programm bietet viele protokollarische Fallstricke. In London können sich etliche Kritiker nicht vorstellen, dass sich der US-Präsident an die strengen Benimmregeln halten wird. Sie fürchten, die Queen könne wüsten Fauxpas ausgesetzt werden. Trump selbst wäre das vermutlich egal.

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