MIKE SCHIER
Wenn man ehrlich ist, war dieses Ende von Anfang an absehbar: Lange bevor Andrea Nahles SPD-Chefin wurde, hatte die Öffentlichkeit sie als Unsympathin verbucht. Dass die 48-Jährige, die in kleinem Kreis übrigens sehr charmant sein kann, dieses Bild ausgerechnet an der Parteispitze korrigieren würde, durfte man bezweifeln – weshalb sie schlicht die Falsche für den Posten war. Jetzt zieht sich Nahles als Verliererin aus der Politik zurück, sogar ihr Mandat gibt die Mutter einer Tochter (8) ab.
Dieser Abgang muss nachdenklich stimmen. Zum einen die Partei selbst. Denn obwohl Nahles als Vorsitzende sicher wenig glücklich agierte – die Schuld am Niedergang trägt sie sicher nicht. Nahles stand vielmehr sinnbildlich für eine Partei, die zu sehr um sich selbst und ihre Strukturen kreist, ihre Untergruppierungen und Arbeitskreise. Eine Partei, die zwar noch eine erstaunlich motivierte Basis hat, in der aber ältere Funktionäre den Nachwuchs blockieren (der jüngste Landtagsabgeordnete ist 45). Eine Partei, die seit Jahren über die eigene Krise lamentiert und weder Mut noch Lebensfreude ausstrahlt.
Doch man sollte auch generell darüber nachdenken, wie man in diesem Land mit Politikern umgeht. Seit Monaten stand Nahles im Feuer. Nicht nur in den (a)sozialen Netzwerken, auch in den eigenen Reihen stichelten Vorgänger und Hinterbänkler, die alles besser wussten. Ähnliches bahnt sich gerade in der CDU an. Und der Grüne Robert Habeck spricht offen darüber, dass er den Absturz nach der medialen Überhöhung fürchtet. Klar, Politiker brauchen ein dickes Fell. Doch wer will, dass normale Menschen weiter Verantwortung übernehmen und nicht nur Macht-Maschinen mit Panzerhaut, der sollte auch bei der Kritik an Politikern Augenmaß bewahren.
Mike.Schier@ovb.net