GEORG ANASTASIADIS
Wenn der Einsatz für eine gute Sache zur allumfassenden, nationalen und quasi „heiligen“ Pflicht erklärt wird, wenn mahnende Stimmen nicht mehr gehört werden und die schweigende Mehrheit ängstlich verstummt – dann ist Gefahr im Verzuge. Seit Christian Lindner auf die erstaunlichen Parallelen zwischen der „Fridays-for-Future“-Bewegung und der „Refugees welcome“-Debatte hingewiesen hat, ist der FDP-Chef (mal wieder) der Bösewicht der deutschen Politik. Der Spielverderber. Der Liberale mit dem kalten Herzen.
Das Dumme ist nur: Lindner hat Recht. Aus dem jakobinischen Eifer, mit dem man einst Skeptiker der Willkommenskultur bekämpfte, wurde die Macht der AfD geboren. Auch die wachsende Radikalität der Klimadebatte – ja, ihre religiöse Überhöhung – wird nicht im Guten enden. „Radikale Maßnahmen führen immer auch zu radikalen Ergebnissen“, warnt der Chef der Liberalen. Er ist einer der wenigen, die sich hierzulande dem Furor zu widersetzen wagten, mit dem eine selbst ernannte kulturelle Avantgarde nicht nur ganze Industrien, sondern generell Andersdenkende ins gesellschaftliche Abseits drängt. Sie tut das unter Anfeuerungsrufen aus beiden Amtskirchen, derweil die alten Volksparteien CDU und CSU im Meinungskampf mehr und mehr kapitulieren.
War und ist es richtig, Flüchtlingen zu helfen? Natürlich! Aber genauso richtig wäre es schon im Sommer 2015 gewesen, angesichts des hunderttausendfachen unkontrollierten Ansturms nicht all jene als Unmenschen abzustempeln, die sich berechtigterweise um ihre Sicherheit und die Grenzen der Integrationsfähigkeit sorgten und darum, ob es noch für alle, Zugezogene und Eingesessene, genügend Wohnungen gibt (stattdessen rufen dieselben Grünen, denen der Zuzug nie hoch genug sein konnte, jetzt nach Enteignungen). Ist es jetzt richtig, sich für Strategien zur CO2-Vermeidung einzusetzen? Selbstverständlich! Aber deshalb ist es dennoch legitim, statt nach Verboten und neuen Steuern – im SPD-geführten Umweltministerium gilt da die Devise je höher, desto besser – nach den besten Kosten-Nutzen-Kalkülen zu fragen und danach, ob das Industrieland Deutschland noch wettbewerbsfähig ist, wenn es im Alleingang die Energie für Bürger und Betriebe weiter so massiv verteuert.
Auch wenn vielen von uns die Klimaveränderung als das drängendste Gegenwartsproblem erscheint, geht es anderen Mitbürgern, gerade solchen, die nicht auf der Gewinnerseite der Globalisierung stehen, auch um andere Güter: Jobsicherheit, finanzielles Auskommen, übrigens auch um Wohnraum, der durch immer mehr Energieauflagen stetig verteuert wird. Ihnen hilft es nicht, wenn die gut betuchten, grün und urban denkenden Eliten in den Villenvierteln der Städte billigen Wohnraum für die Ärmeren fordern, aber gleichzeitig ein Geschrei veranstalten, wenn ihre Gartenstädte nachverdichtet werden sollen.
Politik hat die Aufgabe, solche Zielkonflikte aufzulösen – und sich nicht, koste es was es wolle, einem einzigen ideologischen Superziel zu unterwerfen und dabei zu übersteuern oder gar eine Gelbwestenbewegung zu riskieren. Die völlig entgleiste Debatte um Diesel und Fahrverbote sollte uns gelehrt haben: Hysterie ist kein Klima, in dem Kompromisse und gute Lösungen gedeihen. Deutschland, der emotionsgetriebene Gigant im Herzen Europas, braucht endlich Maß und Mitte zurück.
Georg.Anastasiadis@ovb.net