Moskaus Einfluss: Wo war Obama?

von Redaktion

Der Bericht von US-Sonderermittler Mueller wirft nicht nur ein schlechtes Licht auf Donald Trump, sondern auch auf seinen Vorgänger. Warum ließ Barack Obama Russland im Wahljahr so viel Einfluss nehmen?

VON FRIEDEMANN DIEDERICHS

Washington – Die Empörung unter den US-Demokraten ist groß, seit der Bericht von Sonderermittler Robert Mueller den Kongress und die Öffentlichkeit erreicht hat. Die Opposition sieht den Präsidenten als korrupten, ethos- armen, lügenden und intrigierenden Staatschef, obwohl Mueller in seinem über 400 Seiten starken Werk vor einer Anklageempfehlung zurückscheute. Das Wort „Amtsenthebung“ erfreut sich gerade unter Neu-Abgeordneten des progressiven linken Flügels steigender Beliebtheit, während Parteiführer wie Nancy Pelosi eher vor einem solchen Schritt warnen. Doch über eine Person reden die Demokraten überhaupt nicht: Trumps Vorgänger Barack Obama.

Dabei konnte während seiner Amtszeit Moskau weitgehend ungestört versuchen, die Wahlen 2016 zu beeinflussen. Was wiederum die Frage nach Obamas Motiven für seine Passivität gegenüber diesem dem Weißen Haus damals bestens bekannten Problem aufwirft.

Der Bericht von Sonderermittler Mueller schildert, dass Russland mit seinen Aktivitäten schon im Jahr 2014 begann. Als im Frühjahr 2016 dann der volle Umfang der Einflussnahme Moskaus durch Erkenntnisse der US-Geheimdienste deutlich wurde, scheute Obama vor einem Machtwort gegenüber dem Kreml-Chef immer wieder zurück. Ehemalige Berater Obamas argumentieren heute, der Präsident habe sich damals zurückgehalten, weil er sich nicht den Vorwurf gefallen lassen wollte, im Wahlkampf für Hillary Clinton Partei zu ergreifen. Doch dieses Argument ergab keinen Sinn, da Obama aus seinen Sympathien für seine Ex-Außenministerin und aus seiner Aversion gegen Donald Trump ohnehin öffentlich nie ein Geheimnis machte. Was aber waren die tatsächlichen Beweggründe dafür, dass beispielsweise Obamas Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice ihre Mitarbeiter damals anwies, sich zurückzuhalten, als diese explizite Pläne für Vergeltungsaktionen gegen Russland ausgearbeitet und vorgelegt hatten, wie es der stets gut informierte Buchautor und Washington-Insider Michael Isikoff enthüllte?

In Washington kursieren derzeit zwei konkurrierende Vermutungen, die beide plausibel erscheinen und auch koexistieren konnten. Die erste: Barack Obama befand sich mitten in den Verhandlungen mit dem Iran um seinen Atom-Deal – der sein größtes außenpolitisches Vermächtnis sein sollte. Deshalb habe er kein Störfeuer von Russland, der Schutzmacht der Mullahs in Teheran, provozieren wollen, das dann auch einer der Partner des Abkommens wurde. Die zweite Vermutung lautet, Obama habe den Kreml und die russischen Hacker ohne schnelle Abmahnungen bewusst agieren lassen, damit man im Falle eines Wahlsiegs Trumps behaupten konnte, dieser sei nur mithilfe Moskaus an die Macht gekommen und somit ein illegitimer Präsident. Diese Worte sind übrigens heute aus den Mündern vieler Demokraten zu hören. Wem diese Annahme zu kühn erscheint, dem wird die Lektüre der Textnachrichten empfohlen, die einst der unter Obama die Geheimdienstabwehr beim FBI leitende und später entlassene Beamte Peter Strzok seiner im gleichen Haus als Anwältin tätigen Geliebten Lisa Page sendete.

In diesen eine tiefe Aversion gegenüber Trump zeigenden SMS heißt es unter anderem, dass das Weiße Haus verlangt habe, ständig von den Ermittlungen zu den Eingriffen Russlands und den Moskau-Kontakten Trumps informiert zu werden. Und als Page gegenüber Strzok Befürchtungen äußerte, der bei ihr verhasste Trump könne die Wahl gewinnen, versuchte sie ihr Korrespondenzpartner mit den Worten zu beruhigen: Die Russland-Vorgänge seien doch eine Art „Versicherung“. Ein Wort, über das damals Unklarheit herrschte.

Doch heute drängt sich im Kontext des Mueller-Berichts der Eindruck auf: Die Obama- Regierung ließ Moskau – von einer kurzen mündlichen Ermahnung Obamas gegenüber Putin einmal abgesehen – weitgehend gewähren, weil man die Attacken auf das demokratische Wahlsystem der USA auch als „Versicherung“ gegen eine Amtszeit Trumps sah.

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