Vatikanstadt – Mit dem morgigen Palmsonntag beginnt die Karwoche. Tage, an denen die Christen weltweit der zentralen Thematik ihres Glaubens gedenken: Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi. Zeit für Besinnung. Doch im Vatikan herrscht Aufregung. Grund dafür ist ausgerechnet Benedikt XVI., dessen Schreiben zu den spirituellen und sozialen Ursachen von Pädophilie und Missbrauch in der Kirche für heftige Diskussionen sorgt.
Vor allem in der Umgebung von Papst Franziskus scheint man nicht gerade glücklich über den Vorstoß des Amtsvorgängers, der damit ungewollt Wasser auf die Mühlen der Traditionalisten leite und der Opposition gegen den Kurs des Pontifex neue Nahrung liefere. So berichtet es der „Corriere della Sera“. Nach Informationen der renommierten Tageszeitung, in der die italienische Fassung des Benedikt-Aufsatzes erschienen war, herrscht in der Kurie die Furcht, die mühsam befriedeten Fronten zwischen den Anhängern des „alten“ und des „neuen“ Papstes könnten wieder aufbrechen.
Im Staatssekretariat, das der Emeritus nach eigenen Angaben konsultiert hatte, war man offenbar nur von einer Publikation im bayerischen „Klerusblatt“, einer theologischen Monatszeitung für Geistliche und Ordensleute, ausgegangen. Dass der Text dann zeitgleich auf Deutsch, Englisch und Italienisch in weltweiten Medien erschien, habe im Vatikan für Verstörung gesorgt. Verärgert sei man insbesondere, so wird berichtet, dass die Worte Benedikts ein größeres Echo gefunden hätten als die Friedensvereinbarung für den Südsudan; diese hatte Papst Franziskus persönlich am selben Tag den Chefs der seit Jahren rivalisierenden Bürgerkriegsparteien abgerungen.
Im Kreuzfeuer der Kritik steht der engste Vertraute Benedikts: Georg Gänswein, in Personalunion Sekretär des greisen Emeritus und zugleich Präfekt des Päpstlichen Palastes. Im Umfeld von Papst Franziskus verdächtigt man den deutschen Erzbischof, stramm konservativ, als „Spin Doctor“ die weltweite mediale Verbreitung orchestriert zu haben. Es wäre nicht das erste Mal.
Seit Monaten machen in Rom Gerüchte die Runde, Franziskus wolle Gänswein nicht mehr an seiner Seite dulden und suche nach einer neuen Verwendung. Einem engen Mitarbeiter soll der Papst vor Kurzem gar geklagt haben: „Gänswein ist ein Kreuz, das ich zu tragen habe.“ INGO-MICHAEL FETH