Budapest/Passau – Manfred Weber ist ein Mann der eher leisen Worte, er kann sogar ein Ultimatum so formulieren, dass es noch recht höflich klingt. „Es war mir immer ein Anliegen, Brücken zu bauen“, schreibt der CSU-Politiker also, er wolle „den Zusammenhalt in Europa stärken“. Aber da gebe es drei Punkte, die seien zentral.
In einem Brief an die Spitze der konservativen Parteienfamilie in Europa (EVP), versandt und publik geworden am späten Dienstagabend, stellt Weber ein dreifaches Ultimatum an den ungarischen Regierungschef Viktor Orban. Er droht offen mit dem Rauswurf aus der EVP, wenn Orban namens seiner Fidesz-Partei nicht sofort die Kampagne gegen die EU-Kommission beenden, solche Angriffe ab sofort unterlassen werde und drittens die Top-Universität CEU, die er aus Budapest vergraulen wollte, in Ruhe lasse. Weber hat sich jedes Wort seines Briefes exakt überlegt. In einem begleitenden „Bild“-Interview, nicht aber in dem Schreiben, fordert er sogar eine Entschuldigung von Orban. Dieser habe „massiv“ die Einheit der Partei beschädigt.
Was klingt wie eine Eskalation, ist eher der Versuch, den Bruch doch noch aufzuhalten. Bis maximal 20. März, wenn der EVP-Vorstand über den Fidesz-Ausschluss offiziell berät, soll die goldene Brücke für Orban bereitstehen. So lange dürfte es Weber gelingen, die inzwischen zwölf Mitgliedsparteien, die Anträge zum Fidesz-Ausschluss gestellt hatten, einigermaßen ruhig zu halten und im Hintergrund zu sondieren, ob Budapest einlenkt.
Rausschmeißen oder dulden – in der EVP gibt es dazu zwei Meinungen. „Orban hat die rote Linie überschritten“, sagt EVP-Präsident Joseph Daul, auch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärt, Orban gehöre seiner Meinung nach nicht mehr „zu diesem Club der EVP“. Andere ahnen, Orban mit dem Ausschluss direkt in die Arme noch weiter rechts stehender Populisten zu treiben.
Am Ende dürfte den Ausschlag geben, wie CDU und CSU stehen. Hinter den Kulissen wird von energischen Telefonaten berichtet, die Parteichefs Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder berieten intensiv, auch mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz und dem CSU-Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber. „Wir nutzen alle Kanäle“, sagt ein Beteiligter, das Ergebnis sei aber offen.
Orban sendet widersprüchliche Signale. Er wolle sich nicht offiziell entschuldigen, aber sei kompromissbereit, heißt es in der CDU. Andere glauben, er wolle es auf die große Konfrontation ankommen lassen. Nachdem er in Ungarn so gut wie alles unter seine Kontrolle gebracht hat, will er die europäische Bühne aufmischen. Orban wolle in der EVP bleiben – aber sie nach seinem Ebenbild formen, sie zu ihren „christlichen Wurzeln“ zurückführen, nach rechts außen rücken, für Italiens Salvini und Polens rechtsnationale Regierungspartei PiS kompatibel machen. C. DEUTSCHLÄNDER