Emmanuel Macrons Appell

Der Neubeginn ist überfällig

von Redaktion

VON TIBOR PÉZSA

Der französische Präsident hat Recht: Der Brexit ist mehr als nur ein Problem der Briten. Denn was wird aus dem europäischen Markt, wenn mit Großbritannien eine Volkswirtschaft Abschied nimmt, die allein so viel Gewicht auf die Waage bringt wie 20 der 27 verbliebenen EU-Staaten zusammen? Der Brexit, wenn er denn kommt, wird die EU, wie wir sie kennen, zerstören. Die Zukunft der EU entscheidet sich jetzt.

Aber nicht Lüge und Verantwortungslosigkeit bedrohen die Union. Das tut vielmehr die europäische Unfähigkeit zu einer wirksamen Antwort auf ihre existenziellen Herausforderungen. Diese Antwort fehlt beim Schutz der europäischen Außengrenzen und bei der Besteuerung von Konzerngewinnen. Und vor allem fehlt es am Willen und an der Fähigkeit, geltende Verträge durchzusetzen. Aber, so heißt es, Europa ist doch eine Wertegemeinschaft? Leider nein, es ist ja gerade deswegen in der Krise, weil es in zu vielen Fragen keine gemeinsamen Werte teilt, auch keine gemeinsamen Interessen. Längst zeichnen sich neue Gemeinschaften ab: die migrationsfeindlichen Visegrad-Staaten, der schuldenorientierte Club der Mittelmeeranrainer, die stabilitätsorientierte neue Hanse mit Niederländern, Balten und Finnen.

Wahrlich, ein Neubeginn ist nötig. Aber das setzt eine ehrliche Bestandsaufnahme voraus und dann entschiedenes Handeln. Gewiss wird kein europäischer Staat seine Freiheit in der globalisierten Welt allein verteidigen können. Wenn es gut läuft, wird die alte, überdehnte EU von der neuen, kleineren irgendwann abfallen wie eine abgetragene Jacke. Darunter zum Vorschein kommen wird wohl, muss wohl eine viel engere deutsch-französische Union, als wir sie uns heute vorstellen können. Wenn es gut läuft.

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