Berlin – Ralph Brinkhaus gab am Wochenende schon mal einen Fingerzeig. In einem Interview forderte der Chef der Unions-Fraktion eine grundsätzliche Debatte über den Bundeshaushalt. Der sei nämlich in den letzten Jahren immer größer und komplexer geworden. Jetzt müssten mal alle Posten auf den Tisch – zur „Generalüberprüfung“.
Die Idee könnte nun mehr Gewicht bekommen als gedacht. Denn in den nächsten Jahren droht ein großes Loch im Haushalt. 25 Milliarden Euro könnten bis 2023 fehlen. So steht es in einer 22-seitigen Vorlage von Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer, aus der die Deutsche Presse-Agentur zitiert. Schon nächstes Jahr fehlen demnach rund 6,3 Milliarden Euro, 2022 werden es sogar 9,6 Milliarden Euro sein.
Einen Grund sieht Gatzers Papier in der schwächelnden Konjunktur. Kürzlich erst schraubte die Regierung ihre Wachstumsprognose für 2019 von 1,8 auf 1 Prozent herunter. Weniger Wachstum heißt weniger Steuern von Unternehmen und weniger Lohnerhöhungen, was sich bei der Lohnsteuer bemerkbar macht. Hinzu kommen Milliardenprojekte – etwa der Kohleausstieg.
Zwar betont ein Sprecher des Finanzministeriums auf Anfrage unserer Zeitung, die Planungen für den Etat 2020 liefen jetzt erst an, man könne also noch nichts sagen. Allerdings sagte Scholz zu Jahresbeginn recht deutlich: Die „fetten Jahre“ der Milliardenüberschüsse seien vorbei.
Trotz der Geldnöte will Scholz keine neuen Schulden aufnehmen, die „schwarze Null“ also halten. Heißt: Neue Ausgaben sind nur noch durch Einsparungen an anderer Stelle möglich; und zwischen den Ressorts könnte es zu Konflikten kommen, zumal ja noch weitere Milliardenprojekte wie die Grundrente und der Kohleausstieg geplant sind. Als Konsequenz sollen auch die Personalausgaben beim Bund eingefroren werden. Die Stellenzahl wird 2019 auf rund 198 000 steigen – gerade bei Zoll und Bundespolizei wurde zuletzt draufgesattelt –, die Ausgaben von 31 Milliarden (2016) auf 35 Milliarden Euro bis 2020.
Paradoxerweise verbucht der Bund Jahr um Jahr Rekorde bei den Steuereinnahmen. Die Haushaltspolitiker der Opposition geben sich daher fassungslos. FDP-Mann Otto Fricke nannte es etwa „beispiellos, dass der Finanzminister es schafft, seinen Schattenhaushalt der Asylrücklage von 35,2 Milliarden Euro vollständig zu plündern´, und dann trotzdem nicht genug Geld hat“. Tatsächlich ist die Asyl-Rücklage in Gatzers Vorlage schon mitberechnet.
Für 2020 plant die Regierung bisher mit Einnahmen und Ausgaben von 363,2 Milliarden Euro. Wegen der Finanzlücke dürfte sich die Union aber ihre Wünsche nach einer Entlastung von Unternehmen oder der „Soli“-Abschaffung abschminken. Auch der Vorschlag von SPD-Sozialminister Hubertus Heil für eine Grundrente (Kostenpunkt: vier bis sechs Milliarden im Jahr) scheint in der jetzigen Form unrealistisch.
Auch für das Entwicklungs- und das Verteidigungsministerium könnten wieder dürre Zeiten anstehen. Was wiederum US-Präsident Donald Trump ärgern könnte. Denn der pocht seit Langem darauf, dass Deutschland mehr Geld für Verteidigung ausgibt.
Immerhin einer bleibt optimistisch: Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte gestern, es müsse sich erst mal zeigen, ob die befürchtete Lücke wirklich eintrete. Die Wirtschaft sei robust. Vor allen Dingen dürfe man den „Aufschwung nicht gefährden, indem wir ihn selber schlechtreden“.