Vaduz – Es ist ein kleines Land, seine 38 000 Einwohner würden das Münchner Olympiastadion nur zur Hälfte füllen. Trotzdem kann Liechtenstein seit 300 Jahren seine Eigenständigkeit bewahren. Das Jubiläumsjahr begann mit einem Fest am Mittwoch. Wir sprachen mit Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein über die Entwicklung des Landes. Der 50-Jährige ist seit 2014 stellvertretendes Staatsoberhaupt von Liechtenstein und Thronfolger. Der Erbprinz ist mit Sophie Herzogin in Bayern verheiratet und Vater von vier Kindern.
Sie feiern 300 Jahre Liechtenstein. Was macht den Liechtensteiner aus?
Die Liechtensteiner sind Alemannen. Man kennt diese Mentalität aus dem süddeutschen Raum. Bodenständigkeit ist uns wichtig. In Liechtenstein gibt es außerdem eine Duz-Kultur. Praktisch alle Liechtensteiner sind per Du. Es wird eine sehr direkte Sprache gepflegt. Sogar der Fürst wird manchmal mit „Hoi Fürst“ etwas salopper begrüßt.
Wo liegen die Herausforderungen für das kleine Land?
Es sind ähnliche Herausforderungen wie in anderen europäischen Staaten. Dazu gehören die technologische Entwicklung und die Ausrichtung des Bildungssystems darauf. Eine große Herausforderung ist die demografische Entwicklung. Die Sozialversicherungen müssen nachhaltig finanziert werden. Ein wichtiger Schritt wird die Pflegefinanzierung sein. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen wir verbessern. Schließlich benötigen wir Schritte bei der Raumplanung und Verkehrsinfrastruktur, um den Raum Liechtenstein auch ökologisch weiter attraktiv zu halten.
Warum sind Sie nicht in der EU?
Wir haben traditionell ein enges Verhältnis mit der Schweiz. Dazu gehören unter anderem der Zollvertrag und die Währungsunion. Diese enge Beziehung zur Schweiz wollen wir beibehalten, sie hat wesentlich zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung unseres Landes beigetragen. Andererseits sind wir als Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und des Schengenraums fast so in die EU integriert wie ein Vollmitglied. Zudem wären wir als kleiner Staat überfordert, wenn wir eine EU-Präsidentschaft übernehmen müssten.
Liechtenstein ist eine Monarchie. Wo sehen Sie die Vorteile dieser Staatsform?
Die Monarchie hat den Vorteil, dass sie Kontinuität, Stabilität und eine langfristige Orientierung für die Staatsführung ermöglicht. Vor allem, weil sich das Staatsoberhaupt nicht Wahlen stellen muss und es so leichter ist, Themen, auch wenn sie unpopulär sind, so lange anzusprechen, bis man sich genügend diesen Themen widmet. Zudem ist es so leichter, eine überparteiliche Rolle wahrzunehmen, zwischen den Parteien vermittelnd tätig zu sein und es fällt leichter, berechtigte Interessen von Minderheiten aufzugreifen.
Gab es Momente, an dem die Existenz des Staates auf dem Spiel stand?
Es gab eine kritische Zeit während der napoleonischen Kriege. Im Zuge der Mediatisierung (1803/1806 verloren viele Fürsten ihre Rechte und mussten sich größeren Gebieten unterordnen) sind kleinere Einheiten des damaligen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation in größeren Einheiten aufgegangen. Das war für Liechtenstein eine schwierige Zeit. Glücklicherweise hat Napoleon Liechtenstein in den Rheinbund aufgenommen. Das hat die Unabhängigkeit gesichert. Ein kritischer Moment war auch der Anschluss Österreichs an Nazideutschland 1938 und ein Putschversuch durch Nazis 1939. Zum Glück hatte mein Großvater zuvor als erster Fürst seinen Wohnsitz nach Liechtenstein verlegt und der Unabhängigkeitswunsch der Bevölkerung war so groß, dass dieser Putsch nicht erfolgreich war.
Interview: Thomas Schlenz