Rückenwind für den jungen Kanzler

von Redaktion

Nach dem ersten Jahr seiner umstrittenen Koalition steht Sebastian Kurz besser da als vorher

Wien – Das Schulterklopfen von Arnold Schwarzenegger kommt gelegen. „Ich bin so stolz auf dich“, schwärmte der 71-Jährige in einer Videobotschaft an Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Der Anlass: Österreich will als eines der ersten Länder Europas ab 2020 Plastiktüten verbieten. „Zieh das durch!“, gab „Arnie“, der umweltbewusste Ex-Gouverneur von Kalifornien, dem 32 Jahre alten Kanzler mit auf den Weg. Selbst der „New York Times“ war das eine Meldung wert.

Internationale Aufmerksamkeit galt der Regierung aus konservativer ÖVP und rechter FPÖ in Wien bisher meist dann, wenn sie ihren Anti-Migrationskurs verschärfte oder sich im Fall der FPÖ der Verdacht antisemitischer und rassistischer Gedanken zu erhärten schien. Ein Jahr nach dem Start am 18. Dezember 2017 probt das Bündnis die Aufstockung der Agenda. „Die Regierung braucht 2019 jedenfalls mehr Breite bei den Themen“, empfahl das nicht auffällig regierungskritische Gratisblatt „Österreich“.

Pflege, Steuerreform und Digitalisierung sind die neuen Stichworte, mit denen Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) das nächste Jahr prägen wollen. Zum bisherigen Dauerthema Migration präsentierte Europas nach wie vor jüngster Regierungschef bei der gemeinsamen Bilanz-Pressekonferenz die Formel „Wir wollen Ordnung statt Chaos“. Ein Gegensatzpaar, dem in seiner fast allgemeinen Gültigkeit kaum jemand widersprechen kann.

Die neue Agenda soll schon früh der sich erst langsam sortierenden Opposition Wind aus den Segeln nehmen. Die Sozialdemokraten haben die „soziale Kälte“ der rechtskonservativen Koalition als offene Flanke ausgemacht. Die Steuerreform mit einem angestrebten Entlastungseffekt von fünf Milliarden Euro solle vor allem kleinen und mittleren Einkommen zugute kommen, verspricht Kurz

Gegenwind verspürte Schwarz-Blau am ehesten beim gekippten Rauchverbot in der Gastronomie, bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit – jetzt sind Zwölf-Stunden-Tage möglich – und der Neugestaltung der Mindestsicherung. Für anerkannte Asylbewerber soll es nur dann die volle Höhe von 832 Euro im Monat geben, wenn sie ausreichende Deutschkenntnisse vorweisen. Außerdem wurde das Kindergeld ab dem vierten Kind merklich gekürzt, was bei den Sozialverbänden für großes Kopfschütteln sorgte. „Man sagt, es geht um Fremde und in Wahrheit wird es alle treffen“, beklagt die Caritas.

Die Umfragewerte für Kurz und die ÖVP sind beachtlich. Im Vergleich zur Wahl 2018 legte die ÖVP noch auf 35 Prozent zu. Auch das Vertrauen in Kurz persönlich ist ungebrochen. Er führt das entsprechende Polit-Barometer mit einem Wert von plus 24 einsam an, weit dahinter folgen Finanzminister und Bundespräsident. Strache kommt abgeschlagen auf einen Wert von minus zehn. Die FPÖ hält sich aktuell bei rund 24 Prozent. Die SPÖ als größte Oppositionskraft hat ein schwieriges Jahr hinter sich. Ex-Kanzler und Parteichef Christian Kern fand sich in seiner neuen Rolle nie wirklich zurecht, sein Abgang auf Raten im Herbst brachte seine Partei arg in Bedrängnis. Die Wahl der telegenen und kämpferischen Ärztin Pamela Rendi-Wagner zur neuen SPÖ-Vorsitzenden wirkte wie ein Startsignal auf dem Weg zur Rückkehr an die Macht. „Die SPÖ ist wieder im Spiel“, räumen auch ÖVP-Kreise ein.

Wirklich bedroht sei die Koalition aber dann, wenn sich die FPÖ rassistische Eskapaden wie im Fall eines Youtube-Videos mit einem Ausländer als Sozialschmarotzer erlaube, heißt es. „Wenn die FPÖ über die Stränge schlägt, ist es aus“, so ein Insider. MATTHIAS RÖDER

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