Parlamente hadern mit den AfD-Kandidaten

von Redaktion

Ausschusschef ja, Vizepräsident nein: Vorerst halten Landtag und Bundestag diese Linie durch

München/Berlin – Zwischen Wutrede und Tischplauderei lagen nur wenige Minuten. Am Dienstag vor 18 Uhr attackierte der FDP-Fraktionsvorsitzende Martin Hagen die AfD im Plenarsaal derart schroff, dass seine Rede ein Klick-Hit im Internet wurde. „Das glauben Sie doch nicht, dass wir so bescheuert sind“, AfDler in sensible Ämter zu wählen, rief er. „Extremistisch“ trete die AfD im Parlament auf. Kurz nach 18 Uhr sah man dann einen irgendwie anderen Hagen: Bei der großen Weihnachtsfeier des Landtags saß er neben AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner, unterhielt sich angeregt und friedvoll.

Ausgesucht hatten sich beide ihre Plätze nicht, das war vom Protokoll zugewiesen. Hagen nennt das lange Gespräch nur „professionell“: „Sich den Abend über anzuschweigen, wäre ja albern.“ Tatsächlich zeigt der Vorgang, dass sich das Verhältnis zwischen der AfD und den anderen Fraktionen nach den ersten Sitzungswochen etwas neu justiert. Hinter den Kulissen entstehen informelle Kontakte. Man sah sogar CSU-Innenminister Joachim Herrmann, der dem Verfassungsschutz vorsteht, schon im Vier-Augen-Gespräch mit einem der drei AfD-Abgeordneten, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Auch die 22-köpfige neue Fraktion tritt anders auf: Anfangs trauten sich die AfD-Abgeordneten nur in der Gruppe in den Plenarsaal (und sogar in die Kantine), inzwischen trifft man sie einzeln. Sie laden das Parlament und die Landtagspresse sogar nächsten Mittwoch zu einem Weihnachtsempfang ein. Gleichzeitig verschärfen AfD-Redner aber den Ton. Ebner-Steiners Rede kurz vor der Weihnachtsfeier enthielt den Vorwurf, die „anti-bayerische“ CSU wolle Bayern in „multi-ethnische Besiedelungszonen“ verwandeln.

Von einer „Schande“ sprachen hernach Redner unter anderem der Freien Wähler. Auftritte wie dieser bestärken die anderen Abgeordneten, kein Mitglied der radikal rechten Partei in wichtige Ämter zu wählen. Nach wie vor stellt die AfD keinen Landtags-Vizepräsidenten, der ihr zustehende Posten ist vakant. Ins Parlamentarische Kontrollgremium, zuständig für den Verfassungsschutz, darf die AfD auch nicht. Doch auch diese Front ist nicht geschlossen: 35 Stimmen erhielt der AfD-Vorschlag, also mindestens 13 aus anderen Fraktionen. Bei der ebenfalls geheimen Wahl der Verwaltungsräte der Landeszentrale für politische Bildung erhielt die AfD sogar 45 Stimmen. Auch das genügte nicht, zeigt aber: Ein Tabu ist die AfD-Wahl nicht für alle.

Aus mehreren Fraktionen ist zu hören, wie kontrovers intern darüber debattiert wird. Eine knappe Mehrheit hatte sich Ende November durchgerungen, einen moderaten AfD-Abgeordneten an die Spitze des Bildungsausschusses zu wählen.

Ähnlich läuft es derweil im Bundestag. Auch dort wurden AfD-Politiker an die Spitze der Ausschüsse gewählt, die der Fraktion nach den geltenden Regeln zustehen. Zum Vizepräsidenten wählt der Bundestag aber nach wie vor keinen AfD-Kandidaten. Gestern scheiterte die Abgeordnete Mariana Harder-Kühnel im zweiten Wahlgang mit 241 Stimmen. Nötig war die Mehrheit der 709 Bundestagsabgeordneten, also 355 Ja-Stimmen. Die Rechtsanwältin aus Hessen erhielt bereits in einem ersten Wahlgang Ende November nicht die nötige Stimmenzahl.

Insgesamt sind im Bundestag drei Wahlgänge pro Kandidat möglich. Vor längerer Zeit war bereits der erste AfD-Kandidat, Albrecht Glaser, in drei Wahlgängen durchgefallen. Er war vor allem wegen Äußerungen zum Islam kritisiert worden. Harder-Kühnel wird hingegen zu den eher gemäßigten Mitgliedern der Fraktion gerechnet.  (mit afp)

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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