Budgetstreit entzweit Italiens Populisten

von Redaktion

EU-Kommission reichen Zugeständnisse nicht aus – Neuwahlen am Horizont?

Rom – Die Erleichterung währte nur kurz. Noch am Mittwochabend hatte es so ausgesehen, als hätten sich EU-Kommission und Regierung in Rom endlich auf eine Lösung im Konflikt um den Schuldenhaushalt des Landes geeinigt. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Premier Giuseppe Conte hatten die Angelegenheit zur Chefsache gemacht: Italiens Regierungschef präsentierte persönlich einen Plan, das Defizit von 2,4 Prozent auf 2,04 Prozent zu drücken.

Es war das Ergebnis eines zähen Tauziehens, das die Koalitionspartner von Lega und Grillini zwei Wochen lang an den Rand einer Nervenkrise gebracht hatte. Von Juncker gab es freundliches Schulterklopfen, die Finanzmärkte reagierten erleichtert. Zurück aus Brüssel traf sich Conte noch in der Nacht mit seinen beiden Koalitionspartnern, Lega-Chef Matteo Salvini und Vizepremier Luigi di Maio vom Movimento 5 Stelle. Da wurde zwar kräftig gemault, berichten Beobachter, die Kuh aber schien vom Eis. Die kalte Dusche gab es am nächsten Morgen.

Italiens Vorschlag sei „ein Schritt in die richtige Richtung“, so EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici, aber noch lange nicht das Ziel. „Italien muss weitere Anstrengungen unternehmen, um das strukturelle Defizit 2019 zurückzuführen“, mahnte der oberste Haushaltswächter. Im Klartext: Auch 2,04 Prozent sind angesichts einer horrenden Staatsverschuldung von rund 130 Milliarden Euro noch zu viel.

Problematisch sieht die EU die Ausgaben. Hier drücken die Wahlgeschenke des Movimento 5 Stelle aufs Portemonnaie: das staatliche „Bürgereinkommen“ für Arbeitslose und Sozialschwache sowie der Renteneintritt mit 62 ohne Abschlag bei mindestens 38 Beitragsjahren. Wirtschaftsminister di Maio verteidigt die milliardenschweren Leistungen mit Zähnen und Klauen; die militante Basis würde kein Einknicken dulden.

Ausgerechnet die Lega zeigt sich nun weiter gesprächsbereit mit Brüssel und wirft die Rentenreform in die Verhandlungsmasse. Dass sie damit einen Proteststurm beim Koalitionspartner ernten dürfte, kommt Salvini nicht ungelegen. Die Ultrarechten können sich damit als Stimme der Vernunft gegen die spendierfreudigen Grillini profilieren.

Peilt der Lega-Chef gar eine Soll-Bruchstelle an? Schon wird auf den Fluren des Parlaments von vorgezogenen Neuwahlen im Frühjahr spekuliert. In den Umfragen marschieren die Rechtspopulisten auf 40 Prozent zu. Für die kommenden Tage hat Salvini seinen Leuten einen Maulkorb verordnet. Den offenen Streit will man den zunehmend nervösen Grillini überlassen. Bis zum 19. Dezember muss Rom in Brüssel nun einen Finanzplan vorlegen, der den Vorgaben der Stabilitätsregeln entspricht. Sonst wird unvermeidlich das Strafverfahren in Gang gesetzt. INGO-MICHAEL FETH

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