DIRK WALTER
Dieser Streik hat die Fahrgäste kalt erwischt. Noch am Sonntag hieß es, der Warnstreik der Eisenbahnergewerkschaft EVG werde im Wesentlichen Nordrhein-Westfalen treffen. Doch mit relativ wenig Aufwand – also wenigen Streikenden – hat die Gewerkschaft maximalen Stillstand fast in ganz Deutschland erreicht. Wenn das ein Warnstreik war – was ist dann ein richtiger Streik? Fast klingt es so, als wäre die EVG vom „Erfolg“ ihres Ausstands selbst überrascht. Es ist wohl so: Fahrdienstleiter sitzen am längeren Hebel. Nur einige tausend von ihnen weigern sich für ein paar Stunden, Weichen und Signale zu bedienen, und schon geht nichts mehr – da wünscht man sich direkt den von früher her bekannten Lokführerstreik der GdL zurück. Da fuhr wenigstens ab und zu mal ein Zug.
Aber Galgenhumor mal beiseite: Dass der Bahnstreik so eskalierte, hat mehrere Ursachen. Zum einen war er ein Warnschuss auch für den DB-Vorstand, der offenbar mit der Gewerkschaft im Vorhinein auch eine Art Notfahrplan hätte aushandeln können. Das geschah fatalerweise nicht. Es war aber auch ein Versuchsballon einer Gewerkschaft, die mit der GdL in Konkurrenz steht. Es sieht fast so aus, als wollte die EVG ihren eigenen Mitgliedern einmal Stärke demonstrieren – nach dem Motto: Wir können auch Streik! Beide Seiten ließen die Situation eskalieren. Das darf sich in dieser Form nicht wiederholen. Hoffentlich einigen sich die Kontrahenten von EVG und Deutsche Bahn schnell, denn so weit liegen sie bei Lichte gesehen gar nicht auseinander.
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