MIKE SCHIER
Am Ende ging die Rechnung des Merz-Lagers nicht auf: Viele hatten gedacht, die Wähler von Jens Spahn – immerhin beachtliche 15,7 Prozent – würden reihenweise zum konservativen Polit-Rückkehrer überlaufen. Aber mit ihrer emotionalen, kämpferischen Bewerbungsrede dürfte Annegret Kramp-Karrenbauer manchen Zweifler überzeugt haben, der sie bislang nur als „Mini-Merkel“ sah. Niemand in der CDU (und anderen Parteien) sollte den Machtwillen von AKK unterschätzen. Man gibt kein Ministerpräsidentenamt für ein Abenteuer als Generalsekretärin auf, ohne einen klaren Plan zu verfolgen.
Trotzdem: Die CDU verordnet Deutschland mit dieser Entscheidung einen weniger radikalen Wandel, als ihn ein Friedrich Merz bedeutet hätte. Der Mann aus dem Sauerland hätte der SPD mehr Spielraum zur Profilierung geboten und die Genossen damit früher oder später aus der Regierung getrieben. Mit AKK als Parteichefin darf Angela Merkel vielleicht noch etwas länger regieren. Aber die Aufbruchsstimmung, die die CDU mit dem Treffen von Hamburg erfasst hat, verschafft der neuen Parteichefin erhebliches Mitspracherecht. Das schafft Konfliktpotenzial – wobei beide Frauen viel zu klug sind, als dass sie wie andere Alphatierchen öffentlich streiten. Darum muss man umso aufmerksamer beobachten, wo die Regierung neue Wege einschlägt. Hier könnte eine erste Handschrift der künftigen Bundeskanzlerin Kramp-Karrenbauer sichtbar werden. Seit Freitag spricht vieles dafür, dass Deutschland weiter von einer Frau regiert wird.
Doch noch ist es nicht so weit: Erst einmal muss AKK ihre Partei einen. Merz stand – mit Wolfgang Schäuble als Förderer – für eine andere CDU. In Teilen: die alte CDU, zu der viele der jungen Spahn-Anhänger offenbar nicht zurück wollten. Und doch wird AKK mit klaren konservativen Positionen diesen Flügel einfangen müssen, wenn der Rückenwind von Hamburg anhalten soll. Merz selbst wird sich daran kaum beteiligen. Sein Comeback ist vorbei.
Mike.Schier@ovb.net