Rom/Paris – Sie war das Symbol für die Seenotrettung von Migranten im Mittelmeer – jetzt ist die Mission am Ende: Das Rettungsschiff „Aquarius“ läuft nicht mehr aus. Die Hilfsorganisation SOS Méditerranée sieht sich nach „gezielten politischen Angriffen“ gezwungen, den Einsatz zu beenden. Die NGO will nun zwar mit einem neuen Schiff Einsätze fahren. Doch die Hürden sind hoch.
„Für uns ist die ‚Aquarius‘ natürlich ein großes Symbol gewesen“, sagte Verena Papke, Direktorin von SOS Méditerranée Deutschland. Aber es sei nur ein Schiff – und Schiffe könne man wechseln. Das Team und die Struktur stünden weiterhin.
Seit Februar 2016 war die „Aquarius“ für die Hilfsorganisationen SOS und Ärzte ohne Grenzen im Einsatz und rettete 30 000 Menschen aus dem Mittelmeer. Doch seit die populistische Regierung in Italien an der Macht ist, sind die Tage privater Seenotretter gezählt. Neben der „Aquarius“ wurden auch andere Schiffe von NGOs tagelang mit Menschen an Bord auf dem Meer blockiert und später in Häfen festgehalten. Mittlerweile sind kaum noch NGO-Schiffe vor der Küste Libyens unterwegs.
Zuletzt lag die „Aquarius“ in Marseille in Frankreich vor Anker. Die Suche nach einem Staat, der ihr eine Flagge zuspricht, scheiterte auch am mangelnden politischen Willen. Sowohl Panama als auch Gibraltar entzogen ihr die Flagge. Der letzte Rückschlag: Die italienische Staatsanwaltschaft warf der NGO vor, illegal Müll in Italien entsorgt zu haben. Der Staatsanwalt Carmelo Zuccaro ließ 2017 auch das deutsche Rettungsschiff „Iuventa“ an die Kette legen.
Vor allem rechte Parteien wie die AfD in Deutschland oder die Lega in Italien werfen den NGOs Menschenschlepperei und kriminelle Absichten vor. „Das Aus für die ‚Aquarius‘ ist eine gute Nachricht für die Wiedergewinnung der Kontrolle über die Migrantenströme nach Europa“, erklärte AfD-Fraktionschefin Alice Weidel. Italiens Innenminister Matteo Salvini twitterte: „Weniger Abfahrten, weniger Ankünfte, weniger Tote… gut so.“
Im Mittelmeer kamen 2018 mindestens 2160 Migranten ums Leben. Im Juni, nachdem die populistische Regierung in Rom an die Macht gekommen war und die Häfen des Landes dicht machte, starben die meisten Menschen. Seit Italien einen Deal mit Libyen gemacht hat, um die Migranten dort zu halten, hat die Zahl der Abfahrten extrem abgenommen. Seit weniger private Seenotretter vor Ort sind, ist die Überfahrt aber noch gefährlicher geworden.
Nach tagelanger Odyssee starben erst kürzlich 15 Migranten auf dem Meer. Sie waren auf hoher See verhungert oder verdurstet. „Ich glaube, dass wir viele Tote auch gar nicht sehen“, sagte Papke. Wenn Hilfsorganisationen im Mittelmeer nicht mehr präsent sind, könne auch nur begrenzt berichtet werden, was dort passiert.
In anderen Fällen weigern sich Migranten, zurück nach Libyen gebracht zu werden. Denn dort drohen ihnen Missbrauch, Folter und Versklavung, wie Menschenrechtsorganisationen immer wieder warnen. Italien finanziert dennoch mit Unterstützung der EU die libysche Küstenwache, die die Menschen zurück in das Bürgerkriegsland bringt. dpa