Migrationspakt im Bundestag

Zu spät aufs Maul geschaut

von Redaktion

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Abgeordnete nehmen sich und ihre Debattenrituale auch gern mal etwas zu wichtig. In diesem Fall ist es aber überfällig, dass der Bundestag öffentlich und transparent über den Migrationspakt diskutiert hat. Fast alle Parteien müssen einen dicken Fehler im Umgang mit dem Vertrag korrigieren: Weil sie ihn als nicht wichtig erachteten, scheuten sie den öffentlichen Diskurs. Sie ließen damit Raum für Zweifel und krude Verschwörungstheorien.

Ohne die Anti-Pakt-Hysterie in den Echokammern des Internets zu billigen – Anlass für Misstrauen hatte der Bundestag schon selbst gegeben: mit der Art, wie er tatsächlich gern wichtige unliebsame Debatten (Parteifinanzen) in Eilverfahren vor der Öffentlichkeit versteckt. Oder mit der Apathie, mit der der Bundestag sprach- und haltungslos im Herbst 2015 die Merkel-Politik hinnahm.

Außenminister Maas erntete nun im Plenum Hohngelächter für seinen Satz, die Regierung habe die Bevölkerung früh beim Pakt eingebunden. Hat sie nicht. Im Gegenteil: Sie verkannte die Sprengkraft der Debatte wochenlang, ließ sich das Thema am Ende von der AfD ans Bein binden. Da trauert die Regierung offenkundig den Jahrzehnten nach, in denen sie mit ihrer wöchentlichen Verlautbarung die politische Agenda prägen konnte. Beim Migrationspakt hätte sie sich besser rechtzeitig des alten Strauß-Lehrsatzes erinnert: Der Bevölkerung nicht nach dem Mund zu reden, aber aufs Maul zu schauen.

Christian.Deutschlaender@ovb.net

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