Buenos Aires – Die Planänderung erfolgte über den Niederlanden. Kaum eine Stunde saß die Kanzlerin in der Regierungsmaschine nach Buenos Aires, da hieß es: technischer Defekt, umkehren, Landung in Köln. Dort hofften Angela Merkel (CDU) und ihr Vize Olaf Scholz (SPD) auf einen Ersatzflug, doch auch das klappte nicht. Die Kanzlerin war gestrandet, der Weiterflug erst für heute Morgen geplant – mit Linie.
Die Kanzlerin erwischte also einen holprigen Start. der G20-Gipfel in Argentinien, zu dem sie nun verspätet anreist, dürfte nicht viel bequemer werden. Schon am ersten Gipfeltag wollen Zehntausende in der argentinischen Hauptstadt gegen Globalisierung und die Wirtschaftskrise im eigenen Land demonstrieren. Überhaupt bietet der Gipfel so viel politischen Zündstoff wie lange nicht. Im Mittelpunkt stehen drei Krisen:
UKRAINE
Die Eskalation vor der Küste der von Russland annektierten Krim hat dem Gipfel ein unerwartetes und brisantes Topthema beschert. US-Präsident Donald Trump hat deswegen gestern per Tweet sein bilaterales Treffen am Rande des G20-Gipfels mit Wladimir Putin abgesagt. Da Russland die ukrainischen Marinesoldaten und Schiffe noch nicht an Kiew zurückgegeben habe, halte er es für besser „für alle Seiten“, das Treffen nicht abzuhalten, schrieb Trump. Der Kreml reagierte spöttisch. Dann habe Präsident Putin eben mehr Zeit für „nützliche Treffen“, hieß es.
HANDELSSTREIT
Auch hierbei spielt Trump eine Hauptrolle. Mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping wird er über die Strafzölle reden, die er dem mächtigen Rivalen auf den Weltmärkten auferlegt hat. Und auch beim Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfte es in erster Linie um dieses Thema gehen, sofern es denn zustande kommt. Merkels Verspätung könnet den Termin jedenfalls gefährden. Im Raum stehen Strafzölle auf deutsche Autos, die Trump Berichten zufolge schon nächste Woche verhängen könnte.
KHASHOGGI-AFFÄRE
Schon zwei Tage vor Gipfelbeginn traf der Teilnehmer ein, der es am G20-Tisch am schwersten haben wird: der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman. Dass jemand mit den Mächtigsten der Welt verhandelt, der verdächtigt wird, einen Mord in Auftrag gegeben zu haben, ist ein absolutes Novum. Zum Tod des Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul gibt es weiterhin großen Erklärungsbedarf.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte gestern trotzdem an, bin Salman am Rande des Gipfels sprechen zu wollen. Zuvor solle es ein Koordinationstreffen der Europäer geben. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der sich als Chef-Aufklärer in der Sache geriert, hat nichts gegen ein Treffen mit Salman – anders als Trump, der das ausgeschlossen hat, obwohl er dem Kronprinzen treu bleibt.
Von Trump wird am Ende abhängen, ob der Gipfel Erfolge bringt oder wie der G7-Gipfel in Kanada desaströs endet. Damals kündigte der US-Präsident die Abschlusserklärung per Twitter aus dem Flugzeug auf. MICHAEL FISCHER