München – Der Einzug zum Defiliermarsch hat unter normalen Umständen etwas Erhabenes, steht in Bayern nur dem Ministerpräsidenten zu. Die drei Herren, die am Freitagabend den Marsch für den Weg in den Saal bekommen, dürften ihn aber mit gemischten Gefühlen erleben. Horst Seehofer läuft zu dieser Musik nur ein, weil der Ministerpräsident neben ihm geht. Markus Söder läuft zu dieser Musik ein, wenn er es schlecht erwischt, allerdings zum letzten Mal. Und Sebastian Kurz, Österreichs Kanzler, läuft eher als so eine Art Puffer in der Mitte.
Nein, die CSU absolviert ihr Wahlkampf-Finale nicht so kraftstrotzend wie früher, eher trotzig, in Jetzt-erst-recht-Laune. Die Umfragen sind mau: veröffentlichte sehen die CSU bei 33/34 Prozent, eine unveröffentlichte bei 35. Die absolute Mehrheit ist also wohl futsch. Den Kopf in den Sand zu stecken, wäre aber die falsche Botschaft angesichts bis zu 50 Prozent unentschlossener Wähler. Vor dem Einmarsch in den Münchner Löwenbräukeller, abseits der Kameras, klatscht Söder ungeduldig die rechte Faust in die linke Hand. Überhaupt ist es ja ein Trotz-Signal Richtung Berlin, dass anders als früher nicht die Kanzlerin, sondern der Kanzler zur Schlusskundgebung antritt. „Gebt noch einmal ordentlich Gas, kämpft“, sagt der Konservative Kurz, für seine Gentleman-Verhältnisse eine eher emotionale Regung. Bayern sei ein stabiles Land und außergewöhnlich gut regiert, das solle so bleiben.
„Wir wollen ein ordentlich starkes Ergebnis einfahren“, sagt Söder. Auf Zahlenspiele lässt er sich nicht ein, stellt nur einmal kurz vor Journalisten klar, im Amt zu bleiben, komme was wolle. „Es war eine spannende Zeit, ne harte Zeit“, sagt er über das halbe Jahr im Amt und den Wahlkampf: „Klar ist, es soll weitergehen.“ Auf Hakeleien untereinander verzichten er und Seehofer weitgehend in der Schlusskundgebung. Der Parteichef betont zwar, es gehe um eine rein „bayerische Wahl“ (Söder schaut dabei etwas irritiert). Seehofer stellt aber einen ungewöhnlichen Blankoscheck für die Wahlkämpfer aus: „Ich habe überlegt, was man anders, mehr hätte machen können. Ich entdecke keine Lücke. Wir haben alles Menschenmögliche getan.“
Nicht, dass die SPD euphorischer ins Wahlwochenende ginge, aber immerhin auch mit Kampfgeist und einer vollen Halle. In Schweinfurt ist der Saal sogar überfüllt, als Spitzenkandidatin Natascha Kohnen und die Bundesvorsitzende Andrea Nahles ins Wahlkampf-Finale starten. „Wir sind anders als die“, ruft Kohnen über die CSU, „die schüren Panik vor Veränderung. Jetzt posaunen diese Chaosbrüder Söder, Seehofer und Dobrindt in die Welt hinaus, dass ausgerechnet sie für Stabilität stünden. Bei denen hakt’s doch!“ Kohnen richtet aber auch den Aufruf an die eigenen Leute, bis zur letzten Sekunde zu kämpfen: „Raus aus dem Sofa!“
Die Grünen veranstalten sogar ein 40-stündiges „Endspurt“-Programm mit der ganzen Bundesspitze. Aus Baden-Württemberg kommt Ministerpräsident Winfried Kretschmann rüber. Spitzenkandidat Ludwig Hartmann, im Umfragehoch, begrüßt ihn fast frech: „Bewundernd haben wir bayerischen Grünen immer nach Baden-Württemberg geschaut. Jetzt schaut auch ,Kretsch‘ staunend nach Bayern.“