„Tropen-Trump“ triumphiert in Brasilien

von Redaktion

Die Brasilianer haben die Nase voll von Korruption, Gewalt und Misswirtschaft. Der ultrarechte Ex-Militär Jair Bolsonaro will mit harter Hand durchgreifen. Mit seinen frauenfeindlichen Sprüchen und seiner Sympathie für die Diktatur macht er vielen aber auch Angst.

VON DENIS DÜTTMANN

Rio de Janeiro – Die Wutbürger Brasiliens haben dem politischen Establishment eine schallende Ohrfeige verpasst. Mit ihren Proteststimmen bereiten sie dem ultrarechten Populisten Jair Bolsonaro in der ersten Runde der Präsidentenwahl einen überwältigenden Erfolg. „Ich bin mir sicher, dass wir auch die Stichwahl gewinnen. Bis zum Sieg – so Gott will“, sagte der Ex-Militär nach der Wahl.

Bolsonaro erhielt 46,03 Prozent der Stimmen, sein Konkurrent Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei kam auf 29,28 Prozent. Andere Bewerber waren weit abgeschlagen. Nun treffen Bolsonaro und Haddad am 28. Oktober in der Stichwahl aufeinander. „Ich will alle Demokraten Brasiliens vereinen“, sagte Haddad. „Das Ergebnis zeigt, in welcher Gefahr sich Brasilien befindet.“

Der Ex-Militär Bolsonaro spricht öfter abfällig über Minderheiten und lobt die Militärdiktatur (1964-1985). Angesichts der ausufernden Kriminalität kommen die Forderungen des „Trumps Brasiliens“ nach einer Politik der harten Hand gut an. „Er wird den Banditen geben, was sie verdienen: Kugeln“, sagte Cássio Freire, der mit anderen Anhängern von Bolsonaro zu dessen Haus in Rio de Janeiro gekommen war.

Nachdem ein geistig verwirrter Mann Bolsonaro vor einigen Wochen bei einer Wahlkampfveranstaltung mit einem Messer verletzt hatte, war sein Mythos sogar noch gewachsen. Mit seinen frauenfeindlichen Sprüchen und abfälligen Bemerkungen über Afro-Brasilianer polarisiert er allerdings auch sehr stark. Zuletzt hatten in mehreren Städten tausende Menschen gegen den umstrittenen Kandidaten protestiert. „Bolsonaro verunglimpft systematisch Frauen, Homosexuelle, Afrobrasilianer und Indigene. Er propagiert offen die Errichtung einer Art Militärdiktatur und die Bewaffnung der Bevölkerung“, sagt Norbert Bolte vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat,

São Paulos früherer Bürgermeister Haddad ging für die linke Arbeiterpartei PT von Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ins Rennen. Zunächst wollte der wegen Korruption zu zwölf Jahren Haft verurteilte Lula selbst antreten, dann aber untersagte ein Gericht die Bewerbung des noch immer populären Politikers. Haddad ist zwar nicht so charismatisch wie sein politischen Ziehvater, ein bisschen Glanz fällt aber ab.

Viele stimmten wohl auch für Haddad, um den Rechtspopulisten Bolsonaro zu verhindern. „Ich habe Haddad gewählt“, sagte der 20-jährige Rafael de Jesus nach seiner ersten Wahl in São Paulo. „Nicht, dass ich ihn gut finde, aber er ist der am wenigsten Schlechte.“

Die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas steckt in einer schweren Krise. Zahlreiche Politiker sind in Korruptionsskandale verwickelt, die Wirtschaft läuft nur schleppend und die Gewalt nimmt immer weiter zu. Mehr als 60 000 Menschen wurden im vergangenen Jahr getötet – in den Favelas liefern sich Drogenbanden und die Sicherheitskräfte regelmäßig stundenlange Schießereien. Zudem geht ein tiefer Riss durch das fünftgrößte Land der Welt. Fast religiös ist die Verehrung vieler armer Brasilianer für Ex-Präsident Lula und seine Arbeiterpartei, die sie mit milliardenschweren Sozialprogrammen aus der bittersten Armut geholt haben. In der Mittel- und Oberschicht hingegen herrscht tiefes Misstrauen gegenüber den Linken, die sich in den Boomjahren selbst die Taschen füllten.

„Das Ergebnis spiegelt die tiefe Spaltung der brasilianischen Gesellschaft und die politische, wirtschaftliche und ethische Krise wider, in die das Land seit 2013 nach und nach geraten ist“, sagt Adveniat-Experte Bolte. Bolsonaro stellt sich als Anti-System-Kandidat dar, der mit dem Politzirkus nichts zu tun hat. „Ich werde den Saustall Brasília ausmisten“, verspricht der Hauptmann der Reserve. Dabei ist der 63-Jährige selbst ein Insider: Seit fast drei Jahrzehnten mischt er in der Politik mit, saß für neun verschiedene Parteien im Parlament.

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