Ein Abend im großen Theater

von Redaktion

Mitten in ihrem heftig aufgeflammten Streit um die Schuld am nahenden CSU-Debakel müssen Horst Seehofer und Markus Söder gemeinsam auftreten. Sie reißen sich nur mühsam zusammen. Keiner nimmt ein Wort zurück.

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Ingolstadt – Der Ministerpräsident läuft auf die Bühne, und flüchtet sofort. In die Ironie. Man habe sich überlegt, wie man im Schlussspurt am besten eine breite Öffentlichkeit und möglichst viele Journalisten erreiche, sagt Markus Söder. „Und da haben Horst Seehofer und ich entschieden, dass wir das gemeinsam in bewährter Weise machen.“ Das sei ja auch gelungen. „Danke, lieber Horst.“

So kann man es auch sagen. In bewährter Weise, das heißt ja, dass sich Söder und Seehofer in der vergangenen Woche mal wieder heillos gestritten haben, über Interviews, ohne ein Wort miteinander zu reden. Diesmal schon vorausschauend mit Blick auf den Wahlabend: Wer die Schuld trägt am erwartbaren Absinken der CSU ins 30-plus-X-Elend. Söder zeigte auf „Berlin“, der Berliner Seehofer auf Söder.

Die Terminplanung des Wahlkampfs will es, dass diese beiden Herren am Montagabend gemeinsam auftreten müssen, ein Termin im Ingolstädter Stadttheater. Söders Eingangsworte legen schon nahe, dass er den Konflikt für heute mit einem Scherzchen überspielen will, aber nicht bereit ist zu vergessen oder zu verzeihen. Seine Vertrauten rätseln bereits fatalistisch, wie viele Prozentpunkte der aktuelle Streit im Schlussspurt die CSU jetzt noch kostet. Ihr „Danke, Horst“ klingt sarkastisch.

Doch auch Seehofer rückt in Wahrheit keinen Zentimeter ab. Schon draußen, im abendlichen Halbdunkel vor dem Theater, bestürmen ihn die Journalisten, wie er das jetzt meine, nicht als Parteichef zurücktreten zu wollen. Warum er immer auf Söder schieße. „Ach, schießen ist was anderes“, antwortet er noch jovial. Doch auf die weiteren Fragen nach Söder reagiert er genervt. „Schallplatte“, brummt er, „hat einen Sprung. Da geht immer die gleiche Melodie wieder los.“

Man kann da nicht genau raushören, ob er den Sprung dem Ministerpräsidenten attestiert oder nur den Medien.

Generell wird das nicht als bester Wahlkampfauftritt in die CSU-Geschichte eingehen. Dafür, dass die Doppelspitze gemeinsam auftritt, ist das Stadttheater in Seehofers Heimatort überraschend leer – die Ränge gar nicht besetzt, der Rest großzügig bestuhlt. So viel Platz ist da, dass die örtliche CSU sogar die drei „Nein zu Söder“-Gegendemonstranten von draußen (mit grünen Haaren, jetzt aber ohne Trillerpfeifen) in den Saal lässt. All das beobachtet von 100 Journalisten, die primär auf jede Andeutung des Konflikts achten.

Wobei es bei Andeutungen bleibt. „Gelegentlich gibt’s manchmal Diskussionen“, sagt Seehofer. Auf offener Bühne streitet das Duo nicht, duzt sich, argumentiert inhaltlich ähnlich. Söder zieht seine Strategie der letzten Wochen durch, für „Stabilität“ zu werben und vor Regenbogenkoalitionen zu warnen. „Es gibt Ideologen. Es gibt Populisten. Und es gibt uns.“ Wieder grenzt er sich mit scharfen Worten und unter Beifall von der AfD ab. Die Asylthemen fasst Söder kurz und bleibt im Ton moderat, überlässt dieses Feld Seehofer und spricht selbst viel über Pflege und Familie. „Bayern ist nicht nur ein Land der Glitzerpaläste, sondern muss auch Land der Herzlichkeit und Menschlichkeit sein.“

Seehofer spricht über „Bayern, das Maß aller Sicherheit“ – und sagt: „Ein starker Staat braucht eine starke Polizei.“ Er betont leise, aber klar seine restriktive Haltung in der Migrationspolitik. „Man kann mir alles nehmen, aber nicht meine Überzeugung.“ Der Beifall für Seehofer ist, anders als auf dem letzten Parteitag, in Ingolstadt gut.

Einmal noch müssen sie gemeinsam auftreten. Am Freitag steht der Wahlkampfabschluss in München an. Dann, ab Sonntag, 18 Uhr, wird abgerechnet. Oder, wie es Söder in seiner Rede andeutet, als er über Bayerns Raumfahrtprogramm spricht. „Nicht, dass wir jemanden auf den Mond schießen wollten“, sagt er, ohne Seehofer anzuschauen. Auch wenn ihm manche einfallen würden. Gelächter im Saal. Söder schiebt nach: „Aber das schaffen wir so auch.“

Artikel 13 von 13