Der Streit um Maaßen

Kröten geschluckt, Koalition gerettet

von Redaktion

Von Jörg Blank, Christoph Trost und Basil Wegener

Berlin – Am Ende ging alles ganz schnell. Eine gute halbe Stunde sitzen die Kanzlerin, der CSU-Chef und die SPD-Vorsitzende am Sonntagabend im Kanzleramt zusammen, dann verkünden Horst Seehofer und Andrea Nahles in getrennten Auftritten die Einigung: Hans-Georg Maaßen wird doch nicht befördert. Entlassen wird er aber auch nicht.

Seehofer und Nahles müssen für den Kompromiss Kröten schlucken. Er, weil Maaßen doch nicht wie am Dienstag vereinbart befördert und mit einem Gehaltsplus Staatssekretär im Innenministerium wird. Sie, weil Maaßen nun doch an verantwortlicher Stelle weiterarbeiten darf. Teile der SPD hatten verlangt, dass Maaßen aus dem Beamtenverhältnis geworfen wird. Doch Seehofer stellte sich öffentlich hinter den 55-Jährigen.

Zwei Wochen nach den umstrittenen Äußerungen des Verfassungsschutz-Chefs zu ausländerfeindlichen Übergriffen in Chemnitz ziehen die Spitzen der Koalition an diesem dramatischen Wochenende die Notbremse. Den Streit konnten in der Bevölkerung ohnehin viele nicht mehr verstehen. Da sollte am Ende einer, dem quasi alle Seiten Verfehlungen bescheinigen, auch noch befördert werden.

Merkel hatte am Freitagabend bei einem Auftritt in München eine Lösung im Laufe des Wochenendes angekündigt. Zum Fall Maaßen hatte sie bisher nur gesagt, das Vertrauen in ihn sei in Teilen der Koalition nicht mehr gegeben. Ob sie sich da mit einschloss, blieb unklar.

Was am Samstag und Sonntag folgte, war eine Interview-Schlacht um die Deutungshoheit. Seehofer sagte der „Bild am Sonntag“, Maaßen sei „ein hoch kompetenter und integrer Mitarbeiter“, er habe kein Dienstvergehen begangen. Er entlasse niemanden, „weil die politische und öffentliche Stimmung gegen sie ist“.

Nahles bekräftigt, als Verfassungsschutzpräsident sei Maaßen nach seinen Äußerungen zu Chemnitz nicht mehr tragbar. Die Lösung dürfe das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen nicht verletzen. An Maaßen werde die Regierung nicht scheitern. Aber sie scheitere, wenn gegenseitiges Vertrauen und Verlässlichkeit fehlten.

Als dann am Sonntagnachmittag durchsickert, dass sich Merkel, Seehofer und Nahles am Abend im Kanzleramt treffen, ist schnell klar, dass es eine Einigung geben würde. Der Kompromiss war im Laufe des Tages in zahlreichen Telefonaten ausgehandelt worden.

Gegen 20.15 Uhr steht Seehofer dann im Innenministerium vor den Kameras. So überstürzt ist die Pressekonferenz einberufen worden, dass er sein Statement noch mal von vorne beginnen muss, weil einige Kamerateams es nicht mehr rechtzeitig zu Beginn geschafft haben. Seehofer teilt mit, dass Maaßen nun Sonderberater im Innenministerium werden soll. Im Rang eines Abteilungsleiters werde er für europäische und internationale Aufgaben zuständig sein.

Maaßen muss damit Aufgaben übernehmen, die Merkel an Seehofer übertragen hatte und denen der Innenminister zuletzt – so war in Berlin zu hören – eigentlich nur mit Groll im Bauch nachgegangen war. Insofern dürfte Seehofer nun ganz gelegen kommen, dass er mit Maaßen einen in internationalen Verhandlungen geschulten Spitzenbeamten an der Seite hat.

Auch Nahles und die SPD-Linke um Ralf Stegner geben sich zufrieden mit der Lösung. Es sei „ein gutes Signal, dass die Koalition in der Lage ist, die öffentliche Kritik ernst zu nehmen und sich selbst zu korrigieren“, bewertet die SPD-Vorsitzende. Nun kann sie darauf verweisen, dass sie zwei wesentliche Punkte in den Nachverhandlungen durchgesetzt hat: Maaßen wird nicht befördert und bekommt nicht mehr Geld. Zudem wird seine Arbeit nichts mehr mit dem Verfassungsschutz zu tun haben.

Kurz vor der Landtagswahl in Bayern hofft die CSU, dass der Fall nun endlich abgehakt ist. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sieht seinen Wahlkampf längst genug torpediert. Ob der Koalitions-Frieden bis zur Bayern-Wahl hält? Seehofer sagt am Abend, der nun beschlossene Kompromiss sei schon mal in der Runde der drei Parteichefs besprochen worden. Nahles dementiert das. Genug Zündstoff bleibt also – auch für die Sitzung des Koalitionsausschusses am 1. Oktober.

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