München – Man darf sich diesen Auftritt als Tropensturm vorstellen: plötzlich aufziehend und voll zerstörerischer Energie. 40 denkwürdige Minuten lang wütete Donald Trump gegen den „kleinen Raketenmann“ in Nordkorea und das „mörderische Regime“ im Iran, lobte sich und kritisierte den verdutzten Rest der UN-Mitglieder so heftig, wie man es bis dahin nicht kannte. Dann verschwand er wieder nach nebenan, in den gläsernen Trump Tower an New Yorks Fifth Avenue.
Inhaltlich überraschte die erste Rede des US-Präsidenten vor den Vereinten Nationen kaum, aber den Grad der Aggression empfanden Beobachter als beispiellos. Weshalb vielen auch mit Blick auf diese Woche mulmig ist. Ab morgen halten die angereisten Staats- und Regierungschefs ihre Reden: Neben dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, seinem iranischen Kollegen Hassan Ruhani und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) wird auch er wieder sprechen: Donald Trump.
Die UN-Botschafterin der Vereinigten Staaten, Nikki Haley, skizzierte Ende der Woche schon mal, worum es ihrem Chef gehen wird. Er wolle vor allem über die „außenpolitischen Erfolge der USA“ reden und darüber, wie es nun weitergehe. Nordkorea und der Iran scheinen als Themen also wieder gesetzt. Bei einem Treffen des UN-Sicherheitsrats, dem Trump am Mittwoch vorsitzt, könnte es passend dazu um atomare Abrüstung gehen.
Jenseits der großen Bühnen-Show sind einige wichtige Treffen hinter den Kulissen geplant. Schon heute soll es um den weltweiten Drogenmissbrauch gehen. Ein weiteres Thema soll der Friedensplan für den Nahen Osten sein, an dem Trumps Schwiegersohn Jared Kushner seit Monaten arbeitet. Der Inhalt ist bis dato geheim, größtenteils zumindest. Zuletzt sickerte durch, dass die US-Regierung das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen zerschlagen und gut fünf Millionen Palästinensern ihren Flüchtlingsstatus aberkennen will. Käme es so, wäre es nach der Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt der zweite Punkt, an dem die USA sich klar auf die Seite der Israelis stellen.
Das Thema könnte für Konflikte sorgen, genau wie die Finanzierung der Vereinten Nationen. Die USA sind nach wie vor der größte Beitragszahler, was Trump – ähnlich wie im Fall der Nato – im vergangenen Jahr heftig kritisierte. Inzwischen sind einige Reformen auf den Weg gebracht worden; der US-Präsident könnte das als Erfolg für sich verbuchen, wenn er denn wollte. „Der Albtraum aller ist, dass er sich genauso benimmt wie bei der Nato und damit droht, weniger zu zahlen“, sagt Richard Gowan von der UN-Universität.
Trump scheint mit seinem Auftritt im vergangenen Jahr das Klima der traditionell recht friedlichen Generalversammlung langfristig beschädigt zu haben. Auch UN-Generalsekretär António Guterres konnte sich im Vorfeld ein paar Spitzen nicht verkneifen. Er versprach, den Klimawandel – ein Reizthema Trumps – offensiv anzusprechen und mahnte eine Krise des Multilateralismus an. Der werde in einem Moment attackiert, da „wir ihn am dringendsten brauchen“. Ob Guterres damit Trump meinte, wollte er aber nicht sagen.
Alle hoffen, dass am Ende des Treffens trotzdem konstruktive Ergebnisse stehen. Es schmerzt an vielen Ecken: die Hungersnot im Jemen, der Krieg in Syrien, der Umgang mit dem Iran. „Es gab mal dieses Gefühl, dass die Vollversammlung ein Moment war, in dem Entscheidungen getroffen werden“, sagt UN-Experte Gowan. Jetzt seien alle nur noch in Defensivstimmung. „Es geht nur noch darum, lebend wieder rauszukommen.“ mit Material von dpa