Vor dem Gespräch in Berlin

Warum Merkel so oft Putin trifft

von Redaktion

Von Michael Fischer und Friedemann Kohler

Berlin – Lange Zeit waren die Treffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine Seltenheit. Die russische Annexion der Krim und die anschließende Krise in der Ostukraine beschränkten die persönlichen Kontakte weitgehend auf Gipfelbegegnungen, Telefonate und nur zwei bilaterale Besuche Merkels in Russland innerhalb von vier Jahren.

Seit der Vereidigung Merkels für eine vierte Amtszeit und der Wiederwahl Putins im Frühjahr scheint nun aber wieder etwas in Gang zu kommen zwischen den beiden. Im Mai reiste Merkel in den Badeort Sotschi am Schwarzen Meer, um Putin zu treffen. Anschließend empfing sie Außenminister Sergej Lawrow und Generalstabschef Waleri Gerassimow im Berliner Kanzleramt – ein ungewöhnlicher Vorgang.

Jetzt kommt Putin zum ersten Mal seit Beginn der Ukraine-Krise zu einem bilateralen Besuch nach Deutschland. Merkel wird ihn am Samstag auf Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregierung, empfangen, in deutlich informellerer Atmosphäre. Dass Putin und Merkel wieder stärker ins Gespräch kommen, liegt vor allem an zwei Krisen und einem Politiker: Syrien, Ukraine und Donald Trump.

Syrien: Die syrische Regierung und Russland als ihre Schutzmacht wollen mit dem Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes beginnen. Sie hoffen, dass EU-Wirtschaftssanktionen gegen die Führung von Präsident Assad gelockert werden. Außerdem geht es um Finanzhilfen. Deutschland und andere westliche Länder bestehen darauf, dass vorher der Konflikt politisch gelöst werden muss. So weit ist es noch nicht, es sieht immer weniger danach aus, als würde der Krieg mit Assads Abdanken enden. Russland hat ihm seine Macht erhalten, mittlerweile kontrolliert er wieder zwei Drittel des Landes.

Zugleich ist klar, dass den Syrern dort schon jetzt geholfen werden muss, um das ärmliche Leben zu normalisieren. Als ein Hoffnungszeichen wurde in dieser Woche der traditionsreiche Basar der fast völlig zerstörten Stadt Homs wiedereröffnet. Gleichzeitig könnten erneut viele Menschen in die Flucht getrieben werden, wenn die Regierungstruppen gegen die letzte große Rebellen-Bastion in Syriens nördlicher Provinz Idlib vorgehen.

Ukraine: Hier erscheinen Fortschritte unwahrscheinlich. Die Feuergefechte zwischen ukrainischen Regierungstruppen und den von Russland unterstützten Separatisten im Osten der Ukraine gehen weiter. Auf dem Tisch liegt Putins Vorschlag von 2017, eine internationale Friedenstruppe in den Donbass zu schicken. Deutschland und Frankreich sind die europäischen Verhandlungsführer, doch vor allem müssten sich die UN-Vetomächte Russland und USA einigen.

Gas: Ein weiterer Konfliktpunkt ist die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee zwischen Russland und Deutschland. Beide Länder halten an dem Milliarden-Projekt fest – gegen Kritik aus den osteuropäischen EU-Staaten und trotz drohender Sanktionen der USA. Deshalb dringt Berlin darauf, dass Moskau Erdgas weiterhin auch durch die Ukraine leitet und dem Nachbarland Einnahmen aus dem Transit verschafft. Darüber sprachen Merkel und Putin schon bei ihrem Treffen in Sotschi.

Trump: Auf jeden Fall führt die ganz auf nationale Interessen ausgerichtete Außenpolitik Trumps dazu, dass sich Merkel wieder mehr um die Gesprächskanäle zu international maßgeblichen Ländern wie Russland oder China kümmert. Deutschland setzt sich – wie auch Russland – für die bestehende, auf internationalen Abkommen und Organisationen basierende Weltordnung ein, die durch Trump gefährdet wird.

Der Besuchsreigen wird weitergehen. Mitte September wird der russische Außenminister Lawrow in Berlin erwartet. Der türkische Präsident Erdogan hat Merkel und Putin zudem zu einem Syrien-Gipfel in die Türkei eingeladen (Details noch offen). Und Putin könnte auch recht bald wieder nach Deutschland kommen, allerdings aus privaten Gründen. In Berlin wird gemunkelt, dass er im Oktober bei der Hochzeitsfeier seines Freundes Gerhard Schröder dabei sein könnte.

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