Rom – Müde und abgekämpft sieht Giuseppe Conte aus, als er zur Bilanz-Pressekonferenz zu Beginn der Sommerpause vor die Journalisten tritt. Oder genauer gesagt: sitzt. Denn der neue Premierminister hat vor den Flaggen im weißen Ledersessel Platz genommen, statt am Pult zu stehen. Was wohl neue Leichtigkeit vermitteln soll, unterstreicht ungewollt den politischen Ballast, der auf dem Politneuling lastet.
Denn da soll einer, der über kein eigenes politisches Gewicht verfügt und vom Wohlwollen der Parteichefs Luigi di Maio und Matteo Salvini abhängt, den Laden zusammenhalten. Und dabei auch zwei höchst unterschiedliche politische Ausrichtungen zusammenführen – die populistische Fünf-Sterne-Bewegung und die rechtsradikale Lega.
Kein Wunder, dass die anwesenden Journalisten Conte nicht schonen. So ziemlich alle Widersprüche der ersten Wochen landen auf dem Tisch. Mit Charme und Eloquenz bemüht sich der Premier, die Klippen zu umschiffen – wirklich überzeugen kann er nicht. Wofür die Allianz aus Populisten und Rechtsnationalen, vom strengen Migrationskurs abgesehen, auf anderen wichtigen Politikfeldern steht? Das ist trotz allen Aktionismus’ nicht erkennbar.
Stattdessen scheint man in beiden Lagern damit beschäftigt, Pfründe und Posten in Behörden, Unternehmen und öffentlichen Institutionen untereinander aufzuteilen. Das machten die anderen Parteien, ob links oder rechts, in der Vergangenheit zwar genauso. Doch gerade die Fünf-Sterne-Bewegung ist mit dem hehren moralischen Anspruch angetreten, diese Art von Klüngel und Vetternwirtschaft zu beenden. Nun aber erlebt der Nepotismus neue Höhenflüge.
Ein Beispiel ist RAI, die staatliche Rundfunkanstalt. Dort wurde eben mal die gesamte Führungsspitze durch politisch genehme Figuren ausgetauscht. An die Spitze soll als Präsident der umstrittene Journalist Marcello Foà rücken, Fünf-Sterne-Sympathisant und berüchtigt für seine anti-europäischen Positionen. Dessen Sohn wiederum wurde bei Innenminister Matteo Salvini als Pressesprecher untergebracht. Weggemobbt wird auch der Chef der staatlichen Sozial- und Rentenverwaltung. Der hatte gewagt, der Regierung vorzurechnen, dass ihr geplantes Grundeinkommen unfinanzierbar sei.
Ein ordnungspolitischer Kompass scheint völlig zu fehlen, was sich eklatant in der Wirtschafts- und Finanzpolitik zeigt. Einerseits arbeitet der neutrale Finanzminister Giovanni Tria hart daran, die Verschwendung öffentlicher Gelder zu bekämpfen und die Brüsseler Defizit-Ziele nicht zu reißen. Andererseits hat er den Auftrag, bereits im Herbst ein Gesetz zur Einführung der sogenannten „Flat Tax“ vorzulegen – also einen niedrigen, einheitlichen Steuersatz pro Kopf. Im Gegenzug sollen alle Vergünstigungen gekappt werden.
Viele dieser Inhalte sind derzeit allerdings überlagert vom Thema Asyl und Migration. Dabei kommt der harte Kurs von Innenminister Salvini bei vielen Italienern gut an. In einer Umfrage bewerteten zuletzt 61 Prozent die Arbeit der neuen Regierung als positiv.
Im Parlament macht die neue Mehrheit unterdessen zahlreiche Reformen der alten, Mitte-Links-geprägten Regierung rückgängig, die etwa den Arbeitsmarkt dereguliert und Zeitverträge erleichtert hatte. Besonders die Jugendarbeitslosigkeit war daraufhin spürbar gesunken.
Streit gibt es auch um die im Bau befindliche Hochgeschwindigkeitstrasse durch die Alpen zwischen Turin und Lyon. Fünf-Sterne-Vertreter fordern einen sofortigen Baustopp – der allerdings würde eine Konventionalstrafe von über einer Milliarde Euro nach sich ziehen und tausende Arbeitsplätze kosten. Auch die Privatisierung der angeschlagenen italienischen Fluglinie Alitalia wurde von den Koalitionspartnern gestoppt; sie soll wieder verstaatlicht werden.
Bei all dem wilden Hin und Her scheinen die Investoren das Vertrauen in die römische Chaostruppe zu verlieren. So liegt der Zinsaufschlag für italienische Staatsanleihen wieder fast so hoch wie zu Zeiten der Rezession. Besonders ausländische Investoren kehren dem Land den Rücken.