Riad ruft Studenten und Medizintouristen aus Kanada zurück

von Redaktion

Saudi-Arabien erhöht im Streit mit der Regierung in Ottawa den Druck – Premierminister Justin Trudeau will dennoch hart bleiben

Vancouver – Kanada will im diplomatischen Streit mit Saudi-Arabien nicht klein beigeben und weiter Menschenrechtsverletzungen in aller Welt anprangern. Das sagte Premierminister Justin Trudeau am Mittwoch bei einem Auftritt in Montréal. Es war das erste Mal, dass der Regierungschef zu den sich verschärfenden Dissonanzen Stellung bezogen hat. „Wir sind mit der Regierung Saudi-Arabiens weiter diplomatisch und politisch im Gespräch. Wir werden gleichzeitig aber immer entschieden Menschenrechtsthemen ansprechen, öffentlich und privat.“

Trudeau wies damit indirekt die Forderungen der Saudis zurück, sich bei dem Königreich für Äußerungen seiner Außenministerin zu entschuldigen. Chrystia Freeland hatte vor einer Woche in einem Tweet die Verhaftung von Menschenrechtsaktivisten in Saudi-Arabien kritisiert und sich damit den Zorn der autoritär regierenden Monarchen in Riad zugezogen.

Saudi-Arabien hatte daraufhin den kanadischen Botschafter aus dem Land ausgewiesen und seinen Vertreter aus Ottawa zurückgezogen. Etwa 7000 saudische Studenten, die von ihrer Regierung ein Stipendium für Kanada erhielten, sollen binnen vier Wochen zurückkehren. Saudische Patienten, die in kanadischen Einrichtungen medizinisch behandelt werden, sollen diese bis September verlassen.

Auch wirtschaftlich übt Riad Druck aus. So plant die Regierung des arabischen Landes offenbar, Gelder aus Kanada abzuziehen und Investitionen einzufrieren. Den Handel mit Kanada schränken die Saudis weiter ein. Die zuständige staatliche Agentur teilte dazu mit, man werde künftig keinen Weizen und keine Gerste mehr von dort einführen, Öllieferungen nach Kanada dagegen seien vorerst nicht betroffen. Offen ist, ob es noch zu einem von der Vorgängerregierung Trudeaus eingefädelten Waffendeal mit Saudi-Arabien kommen wird. Riad wollte in Kanada eigentlich Militärgerät im Umfang von 15 Milliarden Dollar kaufen. Womöglich wird dieses Geschäft, das auch innerhalb der Regierung Trudeau umstritten war, jetzt storniert.

Die Regierung in Ottawa wurde von der heftigen Reaktion aus Saudi-Arabien überrascht – hält die Folgen aber für beherrschbar. Denn die wirtschaftlichen Beziehungen der Länder sind überschaubar. Für Kanada liegt Saudi-Arabien beim Handelsvolumen nur an 17. Stelle, noch hinter Ländern wie Taiwan oder der Schweiz. Die kanadischen Ausfuhren nach Saudi-Arabien machen nur 0,2 Prozent aller Exporte aus. Kanada hat die weltweit drittgrößten Erdölvorkommen, eine Abhängigkeit von Riad ist damit nicht gegeben. Derzeit kommen etwa zehn Prozent aller Erdölimporte aus Saudi-Arabien, eine mögliche Lücke könnte Kanada leicht mit Öl aus eigener Produktion schließen.

Aufmerksam wurde in Ottawa verfolgt, dass sich die Verbündeten bislang nicht offen an die Seite Kanadas gestellt haben. Die EU und die USA hielten sich mit Solidaritätsbekundungen zurück. Wie der Sender CBC berichtete, telefonierte Außenministerin Freeland deswegen mit mehreren Verbündeten, unter anderem mit Deutschland und Schweden. Beide Länder hatten zuletzt diplomatische Verwicklungen mit den Saudis.

Die Beziehungen zwischen Ottawa und Riad gelten schon länger als angespannt. Vor wenigen Wochen hatten die kanadischen Behörden Ensaf Haidar, die Frau des in Saudi-Arabien inhaftierten Regimekritikers und Bloggers Raif Badawi, eingebürgert. Der jüngste Streit hatte sich an der Verhaftung von Badawis Schwester entzündet. Jörg Michel

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