Es ist schon erstaunlich, wie viel Lärm und Aufregung ein einziger Fußballspieler erzeugen kann. Fast drängt sich der Eindruck auf, hier handle es sich um eine Staatsaffäre. Allerdings birgt der spektakuläre Rücktritt von Mesut Özil aus der Nationalmannschaft und seine damit verbundenen Vorwürfe tatsächlich Aspekte, die über den Sport weit hinausgehen. Der Fall des Deutsch-Türken spiegelt vielmehr die Zerrissenheit, die Widersprüche und auch die Ratlosigkeit wider, die hierzulande die gesellschaftliche Kernfrage prägt: Wie gehen wir um mit Migration, mit Integration, mit Multikulti?
Gerade die Verbitterung des gebürtigen Gelsenkirchners offenbart, wie schwierig es ist, mit „zwei Herzen“, wie er sagt, zu leben. Also mit einem türkischen und einem deutschen. Darüber ist sicher zu diskutieren. Nur machte Özil eben den Fehler, die Debatte zu emotionalisieren und zu beeinträchtigen, indem er ein Zerrbild von Deutschland und seinen Medien zeichnete. Und er scheute auch nicht davor zurück, die Totschlag-Vokabel „Rassismus“ ins Spiel zu bringen. Damit schüttete er Öl ins Feuer des gesellschaftlichen Meinungsstreits.
Sicher, es gab in Internetforen bösartige Anfeindungen. Das ist schlimm und besorgniserregend. Nur lässt sich davon weder ein pauschaler Vorwurf ableiten, noch lässt sich dieser auf DFB-Präsident Grindel fokussieren. Der hatte Özil angehalten, sich für seine Wahlwerbung für den despotischen Präsidenten Erdogan zu entschuldigen. Solch eine Forderung ist kein Rassismus, sondern entspricht demokratischer Gesinnung.
Jahrelang war Özil zum Integrationsbotschafter stilisiert worden. Nun kehrt ausgerechnet er im Zorn Deutschland den Rücken. Den Bruch hat er selbst herbeigeführt. Doch das bedeutet keineswegs das Ende der aufgewühlten Debatte. Sie steht vielmehr erst am Anfang.
Armin Gibis
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